Laudatio für Dr. Winfried Maier

28.12.2002

von Michael Stiller

 

Sehr geehrter Herr Maier, sehr geehrte Frau Maier, sehr geehrte Gastgeber von der Humanistischen Union und auch vom Gasteig, sehr geehrte Damen und Herren,

ich würde gerne hinzufügen: sehr geehrter Herr Justizminister, aber er ist nicht da. Nein, er ist wirklich nicht da, der Herr Minister, wenn schon einmal einer seiner Top-Juristen geehrt wird. Das kommt ja nicht jeden Tag vor, dass einer, der zurückgezogen als Staatsanwalt gearbeitet hat, öffentlich geehrt wird. Die Politiker, heißt es, haben noch ein Gespür für Termine. Die Presse ist da und ein Publikum, wie es die Politik im Regelfall nicht zusammenbekommt. Dieser Termin hier wäre auch wichtig. Winfried Maier hat nämlich nicht nur vorbildlich seine Arbeit getan, er hat auch etwas bewegt. „Da war doch dieser Staatsanwalt in Augsburg“ sagen seit einiger Zeit selbst nicht so eingeweihte Leute, wenn die Rede auf das spektakuläre Verfahren rund um Waffenhandel, Steuerhinterziehung, Parteispenden und politische Machenschaften kommt. Eine bessere Reklame für die Justiz, die immer wieder neu an ihrem Bild im unserem Gemeinwesen arbeiten muss, gibt es eigentlich nicht. Weil die Leute aber auch meistens hinzufügen, „den haben sie doch fertig gemacht bis er Richter geworden ist“, wird die PR-Aktion zugunsten der Justiz gleich wieder abgeschwächt. Dass einer nicht nur gut gearbeitet, sondern dabei auch Vertrauen in die Justiz geschaffen hat, die durchaus beabsichtigte Karriere nicht in der Staatsanwaltschaft fortsetzen durfte, hebt das vorher gesagte nicht auf, aber es erzeugt einen eklatanten Widerspruch. So wie es kaum besseres für die Justiz gibt, wenn sie sich als das präsentiert, das sie im besten Sinn der Verfassung sein soll, nämlich als eine der tragenden Säulen unseres Gemeinwesens und als Bollwerk gegen jedwede sachfremde Einflussnahme, von wem auch immer, so gibt es nichts schlechteres für die Rechtsprechung und die Strafrechtspflege, wenn andere Repräsentanten des Systems den günstigsten Eindruck, der erzeugt wurde, dadurch zunichte machen, dass sie mit plumper Hand in das sensible Räderwerk eingreifen oder den, der rechtschaffen seine Arbeit tut, versteckt und offen diskriminieren, disziplinieren, ja gar aus seinem Tätigkeitsbereich abdrängen. Genau damit haben wir es heute, hatten wir es in den letzten Jahren zu tun. Und deshalb wäre es auch gar nicht schlecht, nähme auch der Herr Justizminister, nähme der Herr Generalstaatsanwalt, nähme der Herr Fraktionsvorsitzende, nähme der Herr Ministerpräsident, nähme wer auch immer mit diesem Thema zu tun hat von dieser Ehrung Kenntnis. Und es ist schön, dass der Untersuchungsausschuss, der wesentliche Dinge herausgefördert hat aus dieser Geschichte, hier durch Frau Tausendfreund und ich glaube auch, durch mehrere Mitarbeiter, die in diesem Ausschuss mitgearbeitet haben, vertreten ist. Es geht immerhin um so elementare Grundsätze wie Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz und um den Aufrechten Gang, der im Grundgesetz oder der Bayerischen Verfassung zwar nicht expressis verbis als Standardbewegung für Demokraten vorgeschrieben ist, wohl aber, genauere Lektüre legt das zwingend nahe, doch als die richtige Gangart auch für Staatsdiener empfohlen wird. Wenn also doch jemand im Publikum sein sollte, der an die politische Spitze in Bayern oder auch im Bund zu berichten hat, dann möge er gut aufmerken in dieser Feierstunde. Wenn die Leute sagen, „da war doch dieser Staatsanwalt in Augsburg“, dann meinen sie auch einen Mann, der Jörg Hillinger heißt. Jörg Hillinger war der Vorgesetzte von Winfried Maier, der Vorgesetzte eines Teams, das sich 1995 dieses Falles angenommen hat und er war ein Mann, von dem ich als Journalist ebenso großen Respekt hatte. Leider muss ich in der Vergangenheit sprechen, denn Jörg Hillinger ist 1999 auf dem Höhepunkt dieser Affäre, um die es hier auch geht, an den Folgen eines Unfalls gestorben. Um seinen Tod haben sich Rätsel gerankt, die will ich hier nicht vertiefen. Ich weiß nur, dass Jörg Hillinger, auch ein Vertreter des Aufrechten Ganges, in dieser Zeit beruflich aufs äußerste belastet war, gesundheitlich gerade angeschlagen war. Und er war nicht wegen seiner eigenen fachlichen Arbeit so angespannt, sondern wegen der unendlichen Auseinandersetzungen, die es rund um diesen Fall immer wieder gegeben hat. Und wenn die Leute sagen „da war doch dieser Staatsanwalt in Augsburg“, dann meinen sie eigentlich auch das Team, das seit 1995 an diesem Fall gearbeitet hat. Winfried Maier ist zwei Jahre später – glaube ich – einbezogen worden, und wurde dann zum „Vater“ dieses spektakulären Falls. Aber auch seine Vorläufer haben ordentlich und gewissenhaft versucht, ihre Arbeit zu tun. Damals gab es auch einen Justizminister, der Sorge getragen hat dafür, dass dieses Verfahren in den geordneten Bahnen blieb. Er war sehr gut bekannt mit Jörg Hillinger und die zwei haben sich gegenseitig vertraut, eine Situation, die der Preisträger des heutigen Abends so nicht vorgefunden hat. Und Sie sehen daraus auch, der Aufrechte Gang ist nicht unbedingt eine Sache von Parteilichkeit und Richtungen, sondern den gibt es überall und er ist überall zu fördern. Es wäre kurzsichtig, zu sagen, wir hätten es hier mit einem symptomatischen bayerischen Geschehnis zu tun. Wir kümmern uns hier in Bayern jeder in seinem Beruf um diese Dinge; der Staatsanwalt mit seinen Akten, der Journalist mit seinen Geschichten. Aber, wenn Sie überlegen, aus der aktuellen Situation heraus, wie die Prävention dieses Vorganges gewirkt hat, der ja eine unglaubliche Publizität erlangt hat: Sie können, wenn Sie heute die Tagesschau spät abends anschauen, sehen, wie einer, der in diesen Fall auch schon involviert war, der eine wichtige Rolle in der FDP spielt, exakt zu der selben Zeit, als seine Partei mit Fingern auf diesen Vorgang zeigte, Sachen gemacht hat, die genau dem entsprechen, was kritisiert worden ist: Spenden gestückelt, Geld angehäuft, illegal ausbezahlt usw. Und eine größere Partei hat es auch nicht besser gemacht, sondern sie hat in Nordrhein-Westfalen in verschiedenen Städten ebenfalls mit Spenden operiert, dass es zu Verfahren geführt hat. Und deswegen hat der Aufrechte Gang bei den Politikern offensichtlich eine verzögernde Haltung. Das Team wird ergänzt durch einen Mann, mit dem Winfried Maier in der Steuerfahndung Augsburg adäquat zusammenarbeiten konnte: Winfried Kindler, der unglaubliche Erkenntnisse, unglaubliche analytische Fähigkeiten in diesen sehr, sehr diffizilen Fall eingebracht hat, der Geheim-Skripte zugeordnet hat, der Rechnungen und Bilanzen und Geldflüsse nachvollzogen hat, wo Leute – Herr Maier hat es vor einem Untersuchungsausschuss mal gesagt – mit einer Swift-Taste ihre Geldströme in Bewegung setzen, mit den Mitteln eines bayerischen Staatsbeamten nachzuverfolgen, was in dieser einen Sekunde weltweit mit Geldströmen passiert ist. Das müssen Sie sich mal vorstellen, das ist wie wenn Sie mit einem älteren Mountainbike einem Geländewagen hinterher fahren, in steilem Gelände. Und trotzdem wissen wir alle, dass die Vorgänge und die Ermittlungen und die Ergebnisse dazu geführt haben, dass Herr Maier vor seinem Wechsel 2000 in die Richterstelle eine fundierte Anklage fertiggestellt hat, dass diese Anklage zugelassen worden ist, dass zwei Verfahren vor einem unabhängigen Gericht bereits mit Verurteilungen geendet haben, die nicht rechtskräftig sind – das muss man dazu sagen – in der aber die Arbeit der Staatsanwaltschaft eindrucksvoll bestätigt worden ist, wie ich das von außen her sehe. Und deswegen ist es auch nicht wahr, was ich immer wieder hier aus dem Justizministerium gehört habe, dass der ermittelnde Staatsanwalt etwa aus persönlichem Antrieb ein großes Rad geschlagen und seine Behörde in ein Abenteuer gehetzt habe, das noch „bös enden“ würde; so hat mir das ein Spitzenbeamter erklärt. Das ist widerlegt. Und wenn die Leute sagen „sie haben ihn fertig gemacht“: Das ist das einzige, was eigentlich nicht stimmt. Winfried Maier hat man nicht fertigmachen können, obwohl ich glaube, dass er eine äußerst schwere Zeit gehabt hat, wo es ihm vielleicht manchmal leichter gefallen wäre, sich in die Haltung zu begeben, die leider viele seiner Kollegen einnehmen und sagen „was soll’s, was soll ich mich hier auflehnen, mach‘ ich halt das, was von mir verlangt wird“.Und deswegen gehört zu diesem Team sicherlich auch jemand, den man dann am Abend sieht, wo man Ausgleich findet, wo man sprechen kann, wo man sich auch mal fallen lassen kann. Ich glaube, ohne Frau Maier wäre unser Preisträger in diesen Zeiten schlecht gefahren und ein Teil dieses Preises gebührt auch ihr. Winfried Maier ist also ein bisschen auch pars pro toto, wenn er heute diesen Preis entgegen nimmt. Er hatte Begleiter, die sich ebenfalls nicht ducken lassen und er hat durch sein mannhaftes Auftreten dafür gesorgt, dass die unsichtbaren Hände über dem Verfahren, die ab 1999 massiv zu spüren waren, verschwunden sind. Er hat es damit seinen Nachfolgern ermöglicht, in Ruhe dieses Verfahren weiter zu bearbeiten. Sie wissen, es hat zu einer weiteren Anklage bereits geführt, die vor der Zulassung steht. Sie betrifft den Spross einer in Bayern nicht unbekannten Politikerfamilie und dieser Beschuldigte dürfte möglicherweise auch der Mittelpunkt des ganzen Ärgers gewesen sein, denn für zwei Thyssen-Manager prügelt man sich in Bayern nicht lange, die kommen aus Preußen oder Nordrhein-Westfalen, oder wie auch immer. Aber „ein Strauß geht nicht vor Gericht“ hat Max mal gesagt und „das wollen wir doch mal sehen“. Ich muss Ihnen sagen, dass ich eine Laudatio halten darf über einen Mann, den ich eigentlich kaum kenne. Zwischen Journalisten und Staatsanwälten gibt es ein Spannungsverhältnis. Beide ermitteln auf ihre Art und Weise. Die Justiz hat es natürlich viel leichter, die kann Akten beschlagnahmen, das dürfen wir noch nicht. Andererseits hat’s die Justiz schwerer, weil sie wird – im Gegensatz zu einem Journalisten, wenn er in einem guten Haus ist – beaufsichtigt, dienstrechtlich völlig einwandfrei. Es ist übrigens auch nicht wahr, dass sich Herr Maier gegen die Dienstaufsicht aufgelehnt hätte. Herr Maier kennt – glaube ich – wie jeder Jurist und besser noch wie die meisten auch dieses Spannungsverhältnis mit der Rechtsaufsicht, die verschiedenen Stufen der Remonstration. Und man hat seiner Aussage im Untersuchungsausschuss durchgängig entnehmen können, dass es ihm nicht darum gegangen ist, innerhalb der Justiz Amok zu laufen oder sich zu produzieren. Worauf er bestanden hat war, gültiges Recht anzuwenden, auch beim Remonstrationsrecht, einem sehr komplizierten Recht, beim Weisungsrecht. Was man ihm aber zugemutet hat, war, Weisungen nicht schriftlich abzufordern, sondern gut zuzuhören und umzusetzen, was man oben gesagt hat. Das steht nirgendwo geschrieben. Die Herrschaften, die Anweisungen geben, sollen sich dazu bekennen, so sieht es unser System vor, dann ist es in den Akten oder in den Handakten, es muss nicht im Prozess aufgeblättert werden, aber im Zweifelsfall kann man dann darauf zurück kommen, wenn die Sache schief geht, oder wie es in diesem Fall den Anschein hatte, sich der Vorposten einer Regierung bemüßigt fühlt, einzugreifen in Gestalt eines Generalstaatsanwalts. Ich sag‘ das hier mit aller Vorsicht. Und dieses Spannungsverhältnis Presse / Justiz, von dem ich gesprochen habe, führt natürlich dazu, dass wir Journalisten den ermittelnden Staatsanwalt in Ruhe lassen. Wir haben in Bayern eine gar nicht so unvernünftige Absprache, dass Anfragen im Grunde immer der Dienststellenleiter beantwortet. Deshalb waren die Kontakte mit Winfried Maier während der Arbeit an diesen Fällen äußerst spärlich: mal ein kleines Gespräch, in dem man eine Orientierungshilfe kriegt, wie ein Verfahren läuft oder eine Rechtsfrage, was man erörtern darf. Aber ich komme zu einem Punkt, der auch nicht wahr ist und der dieser Staatsanwaltschaft in Augsburg unglaubliche Schwierigkeiten bereitet hat, an denen wir Journalisten z.T. mit Schuld sind. Man versuchte immer zu erklären, Indiskretionen im öffentlichen Raum, Geschichten, die in den Zeitungen standen, stammten aus dieser Staatsanwaltschaft und inmitten dieser Verdächtigungen stand natürlich der ermittelnde Hauptstaatsanwalt, der Gruppenleiter und seine Kollegen. Und da schon geschildert worden ist, dass ich relativ nahe an diesem Fall war und ich auch meinen Informantenschutz sehr genau nehme, aber nicht so genau, dass ich nicht sagen könnte, was nicht war, kann ich auch hier noch mal wiederholen: Die Staatsanwaltschaft Augsburg generell war für mich als Journalist und ich glaube auch für alle anderen, weil ich nie eine Sonderverbindung gesehen habe, äußerst unergiebig. Da war nichts zu holen. Die Leute im Justizministerium und in der Partei, die das immer behauptet haben, die wissen das auch. Die ahnen genau, wie solche Aktenströme laufen, wer an so was Interesse haben kann. Wir waren froh darüber, wir hatten gute Geschichten, ich will das gar nicht verhehlen, dass der Reiz der Neuigkeit an diesem Fall immer eine Rolle spielt und nicht immer nur das hehre Ethos, den Rechtsstaat zusammen mit Staatsanwalt Maier zu retten. Im Gegenteil, der saß sicher am Schreibtisch und hat uns verflucht, weil er für jede Geschichte, die wir geschrieben haben, möglicherweise einen Bericht schreiben musste und Jörg Hillinger sich rechtfertigen musste und die Angeklagten dort Disziplinarverfahren und alles was es Gutes im „Delikatessenladen“ Rechtsstaat gibt, herangefahren haben, um das Verfahren dadurch zu torpedieren. Ich denke, wir haben uns trotzdem ein sachliches Verhältnis bewahrt und gegen Ende der Ermittlungen und nach dem Überstieg in die Karriere als vorsitzender Richter und Familienrichter hat es sich so ergeben, dass man, ohne den Fall neu aufzudröseln, denn da bleibt das Geheimnis, Dienstgeheimnis und alles gewahrt, besser die gegenseitigen Positionen verstanden hat. Und ich habe dann Herrn Maier im Untersuchungsausschuss erlebt und ich mache hier einen Vorschlag: Ich schlage der Landeszentrale für Politische Bildung vor, die Protokolle dieses Ausschusses und die Abschlussberichte zu bündeln und in einer Broschüre zu veröffentlichen. Die könnte man in der Schule einsetzen. Es wäre ein großer Beitrag, um nachzuweisen, wie der Rechtsstaat funktionieren kann, ohne ganz große besondere Leistung, sondern, wenn man seinen Weg geht. Es wird nicht geschehen, aber ich greife immer wieder darauf zurück, denn in diesem Ausschuss sind Probleme zur Sprache gekommen und abgehandelt worden, die für eine Demokratie sehr wichtig sind, die spannend waren und die leicht vermittelbar sind. Wo man Demokratie lernen kann, soll man es nutzen und dort konnte man das. Ich sag‘ das ausdrücklich auch hier, weil es immer geheißen hat, Untersuchungsausschüsse sind „parlamentarische Selbstbeschäftigung“. Dort ist solide gearbeitet worden, dort ist hart gefragt worden. Und ich würde auch die Protokolle des Generalstaatsanwalts mitnehmen, des Justizministers, sie gehören auch dazu, denn wie bei Goldoni gibt es auch hier ein inneres Drehbuch. Und das mit den zwei Herren gefällt mir sowieso, aber wenn ich mir vorstelle, dass ein Generalstaatsanwalt in dieser Geschichte gegen den Staatsanwalt als Gruppenleiter Winfried Maier eine dreitägige Konferenz an einem Beamtenurlaubsort im Süden von München zubringen musste, um diese gesamte Aussage vorzubereiten und, wie ich eigentlich kommentierend sage, abzusprechen, um dann im Untersuchungsausschuss damit aufzutreten und wenn ich mir vorstelle, was geschehen wäre, wenn Herr Maier solches getan hätte mit seinen Kollegen oder mit Herrn Kindler oder wem auch immer, dann sehen Sie, wo hier die Ungleichgewichtigkeiten sind. Dann sehen Sie aber auch, dass man Herrn Maier nicht fertiggemacht hat, sondern dass man alle Hände voll zu tun hatte, die Blößen zu bedecken, die er aufgedeckt hat. Es war ihm gar nicht darum zu tun. Ich ahne es und ich habe es im kleinen Vorgespräch gemerkt, ihm ist eigentlich nichts zuwiderer als Personenkult. So wie er zurückgezogen seine Ermittlungsarbeit machen wollte, ist er auch jetzt in sein Arbeitsgebiet abgetaucht, sag‘ ich mal, veröffentlicht allerdings in der Branche wichtige Aufsätze in juristischen Fachzeitschriften, hat dazu wieder mehr Zeit und blüht sicherlich dabei beruflich auf. Und das ist eine kleine Genugtuung. Und ich sage Ihnen auch, mein Beruf hat das mit sich gebracht, dass ich in Bayern nahezu jede Affäre, wo es staubt oder raucht, irgendwo journalistisch begleiten durfte. Es hat in fast jedem dieser Fälle einen Winfried Maier gegeben. Ich erinnere mich an einen Staatsanwalt-Kollegen im Fall Zwick, der dieses ständige Anordnen von Einstellungen von Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung, Unterdrücken von Anklagen, dieses ständige Hineinreden aus der Generalstaatsanwaltschaft und aus dem Justizministerium und der Staatskanzlei, in der damals der Ministerpräsident Strauß saß mit seinem Adlatus Edmund Stoiber, der später auf wundersame Weise zum Saubermann wurde, und der ist heute Fachhochschul-Professor, auch er ist nicht im Beruf geblieben. Ich erinnere mich an Steuerfahnder, die im Untersuchungsausschuss ausgesagt haben, wie sie in den Kellern des Zwick’schen Geländes Unterlagen gefunden haben, die darauf hinwiesen, dass die Warnung des Justizministeriums per TELEX ergangen war an den Beschuldigten Zwick, da werde durchsucht. Und wie der ermittelnde Staatsanwalt, der von den Steuerfahndern begleitet wurde, den Steuerfahndern diese Unterlage entzogen hat und sie hat verschwinden lassen. Und welche Schwierigkeiten diese Beamten bekommen haben, als sie darüber nur Aussage machten im Untersuchungsausschuss. Und es hat in den Steuer-Affären der 80ziger Jahre einen Ministerialrat im Bayerischen Finanzministerium gegeben, der sich diesem System auf seine Weise widersetzt hat. Der hat 20 Jahre lang im Ministerium lahm gelegen. Den hat man nicht mehr befördert, dem hat man keine Arbeit mehr gegeben. Einer der besten Steuerjuristen des Landes war plötzlich zuständig für Krötenübergänge auf Autobahnen und für Manöverschäden. So absurd sind die Vorkommnisse, so subtil. Und er hat durchgehalten. Wie Herrn Maier war ihm auch kein einziges, kleines Stäubchen von Dienstvergehen nachzuweisen. Und die Ironie des Schicksals wollte es, dass er dann als Generalbevollmächtigter des Freistaates den Saustall aufräumen durfte, den die Regierung bei der LWS hinterlassen hat, bei der Landeswohnungs- und Siedlungsgesellschaft, wo 500 Millionen DM versickert sind. Nicht in Politikertaschen, sondern weil diese Gesellschaft nicht auf Baugeschäfte dieser Art eingerichtet war, Sie kennen das. Es hat einen früheren Justizminister sein Amt gekostet. Da fällt mir übrigens ein, ein Land, das in 10 Jahren drei Justizminister hat – ich weiß nicht ob das stimmt und in Ordnung ist. Eigentlich sollte dieser Posten auf Dauer ausgelegt sein und es beweist, dass offensichtlich der Ministerpräsident in diesen Bereich sehr stark hineinwirkt und, wenn was vorfällt, die Konsequenzen aus seinem Sinn zieht. Im Fall Hermann Leeb, der aus anderen Gründen durchaus zu kritisieren war, der aber in diesem konkreten Fall sehr mannhaft war, ist es nachweisbar, dass die Entlassung sachfremden Erwägungen gefolgt ist. Und es gibt eine Steuerbeamtin in Nürnberg, mein letzter größerer Fall, an dem ich gerade arbeite und sowohl an Christlich-Sozialen als auch Sozialdemokraten im Bundesfinanzministerium hoffnungslos scheitere. Eine Beamtin fand heraus, dass 60 Millionen Mark einer Rüstungsfirma in Nürnberg zu Unrecht nicht als Steuer eingezogen worden sind. Sie hat das sehr gut begründet, sie wurde von oben overruled – so sagt man glaube ich im Tennis – also das Geld wurde nicht bezahlt auf Deutsch gesagt und dagegen hat sie sich verwahrt, denn sie wollte, wie Herr Maier, eine schriftliche Anweisung, was sie denn falsch gemacht habe oder dass sie, weil sie ja die zuständige Betriebsprüferin war, dieses unterschreiben muss. Falls das Geld nicht zu bezahlen ist, dazu muss sie angewiesen werden, dann muss sie das Recht auf Remonstration haben. Und all dies wurde ihr abgeschnitten. Der Fall ist anhängig vor dem Verwaltungsgericht Ansbach. Man wird sehen, wie er ausgeht. Nur Herr Eichel will das Geld nicht haben und ich weiß nicht, was da für Absprachen dahinter stecken. „Staatsanwälte küsst man nicht“ heißt ein sehr netter Hollywood-Film. Ich glaube, Herr Maier hat das dienstlich erlebt, deshalb bekommt er heute – glaube ich – etwas Stacheliges. Er hat es erfahren und ich glaube aber, er hat auch die Genugtuung, etwas bewegt zu haben, wie ich vorhin schon gesagt habe. Herr Maier kommt in Büchern vor, an zentraler Stelle. Zu gleicher Stunde, in der wir uns hier treffen, läuft im Cuvilliés-Theater noch mal das berühmte Stück „Obazt is“. Auch da spielt Herr Maier eine tragende Rolle. Die Biermösl-Blosn – wer sie kennt – und Gerhard Polt haben sich dieser Geschichte angenommen. Welcher bayerische Staatsbeamte kann schon von sich behaupten, Hauptfigur von Büchern und Volkstheater zu sein? Die Politiker sagen das so geschwollen, und ich sage es jetzt einfach als Journalist, weil ich es auch darf: Herr Maier, Sie haben sich um das Land verdient gemacht, ich glaube, Sie sind ein würdiger Preisträger!

 

Dieser Text ist die Abschrift der Tonbandaufzeichnung der Laudatio, die Michael Stiller – leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung – bei der Preisverleihung am 28.11.2002 gehalten hat. Veröffentlichung nur mit Genehmigung des Autors und der Humanistischen Union, RV München-Südbayern.

 

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