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Die alten Banner - Hunderte demon­s­trieren gegen staatliche Überwachung

12. Oktober 2015
von Jakob Wetzel und SZ

„Wir sind nicht wenige“, ruft Dieter Janecek. Er spricht damit aus, was hier wohl alle hoffen. Es ist Samstag, kurz nach 14 Uhr, der Bundestagsabgeordnete der Grünen steht auf der Ladefläche eines Kleinlasters auf dem Max-Joseph-Platz, vor sich ein Mikrofon. Er blickt ein paar Hundert Demonstranten ins Gesicht, die zu ihm aufschauen. Sie protestieren für ,,Freiheit statt Angst“ und gegen die Vorratsdatenspeicherung, wie sie die Bundesregierung derzeit einmal mehr einführen will, diesmal mit einem Gesetzentwurf „zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“. Aber ein bisschen geht es an diesem Tag auch um den Datenschutz von Konzernen, um die Abhörskandale von BND und NSA sowie um das geplante Freihandelsabkommen TTIP.
Einmal mehr: Das gilt auch für viele der Demonstranten. Es ist nicht der erste Protest gegen staatliche Überwachung in München. In den Jahren 2007 und 2008 kamen aus diesem Grund zum Teil mehr als 2000 Menschen zusammen. Im September 2013 versammelten sich etwa 600 Menschen zum „International Day of Privacy“ auf dem Stachus, dann zogen sie vor das US-Konsulat. Auf einem Transparent forderten sie damals, Barack Obama solle seinen Friedensnobelpreis an die Spionage-Enthüller Chelsea Manning und Edward Snowden abgeben. Dasselbe Banner ist auch an diesem Samstag wieder zu sehen. Freilich: Es gab wenig Gründe, neue Transparente zu schreiben.

„Die NSA kann weiterhin machen, was sie will“.

Es habe sich nichts getan, sagt Nicole Gohlke, Bundestagsabgeordnete der Linken, am Samstag ins Mikrofon. „Die Gründe für den Protest sind nicht weniger geworden.“ Seit Snowden die Machenschaften der Geheimdienste aufgedeckt habe, sei nichts geschehen. „Die NSA kann weiterhin machen, was sie will!“ Nur als bekannt wurde, dass das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört worden sei, da habe es eine „inszenierte Empörung“ gegeben. Es sei traurig, dass man schon wieder gegen die Vorratsdatenspeicherung demonstrieren müsse, sagt der FDP-Politiker und Vorsitzende des Vereins Load, Jimmy Schulz. Andere, der Grüne Janecek und die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) etwa, sind aber zuversichtlich: Das Gesetz zur Datenspeicherung werde ohnehin vor dem Europäischen Gerichtshof oder dem Bundesver-fassungsgericht scheitern, sagen sie. Einmal mehr.
Vielleicht liegt es daran, dass die Gruppe am Samstag überschaubar bleibt. 1000 Teilnehmer seien gekommen, twittert der Veranstalter, die Polizei dagegen zählt in der Spitze nur 300. Dabei hatte ein breites Bündnis zur Demonstration aufgerufen, unter ihnen Piraten und FDP, Linke und Grüne, dazu Vereine wie Digitalcourage, Mehr Demokratie oder die Humanistische Union. Weitere sind gekommen, Jusos etwa, auch  Amnesty International ist da, selbst Fahnen der griechischen Syriza werden geschwenkt. Vielleicht ist aber schlicht der Termin ungünstig: In Berlin demonstrieren am Samstag parallel mehr als 150 000 Menschen gegen TTIP – und viele von ihnen sind vermutlich aus Bayern in die Hauptstadt gefahren, statt in München für Datenschutz auf die Straße zu gehen. Ein EU-Vertreter sagte unlängst in einem Zeitungsinterview, in Bayern sei der Widerstand gegen das TIP-Abkommen deutschlandweit am stärksten.

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