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Die alltäg­li­chen Daten-­Spuren

15. Mai 2003

Drei Merkmale genügen meist, um eine Person eindeutig zu  identifizieren: Name, Wohnort, Geburtsdatum. Tag für Tag geben wir ahnungs- oder bedenkenlos viele Daten weiter. Jeder Bundesbürger über 18 Jahre ist außer bei den Behörden noch in durchschnittlich  52 kommerziellen Datenbanken erfasst.  Seit dem 11. September 2001 verschiebt sich die Balance zwischen Schutz der Privatsphäre einerseits und Sicherheits- und kommerziellen Interessen andererseits. Gesetze zum Datenschutz werden verwässert, Daten zwischen Firmen, Geheimdiensten und Polizei verstärkt ausgetauscht, Lauschangriff und biometrische Verfahren vermehrt eingesetzt.

Welche Spuren hinterlässt ein Durchschnittsbürger täglich? Nennen wir ihn X. und verfolgen seinen Datenschatten.

Der Normaldeutsche steht laut Statistik um 6.23Uhr auf. Da seine Wohnung noch nicht über eine medizinische Analysestation verfügt, mit der japanische Forscher Gesundheitswerte etwa aus dem Morgenurin ablesen wollen, bleibt die erste Stunde des Tages datenfrei.

7.30 Uhr: X. verlässt seine Münchner Wohnung und kommt an der Videoüberwachungskamera des Nachbarhauses, sowie bei Betreten des U-Bahnhofes an Kameras vorbei.


In Münchner U-Bahnhöfen hängen 650 Videokameras, an der Station Giselastraße, einem bekannten Drogenumschlagplatz, sind zwei Testmodelle zoom- und schwenkbar. In der Leitstelle am Marienplatz beobachten drei Mitarbeiter die Aufnahmen. Jedes Kamerabild ist etwa sieben Sekunden zu sehen. Bei Straftaten oder zum Schutz der Sicherheit wird ein Videogerät eingeschaltet. Die Bänder können nur von den Vorgesetzten mitgenommen werden, löschen können die Mitarbeiter selbst.

Videokameras suggerieren Sicherheit. In ganz Deutschland gibt es etwa 400000 davon, vor Banken, Versicherungen, Supermärkten, Gerichten, Polizeiwachen. Immer öfter hängen sie auch vor privaten Wohnanlagen. Kommunen überwachen verstärkt öffentliche Plätze und große Straßenkreuzungen in der Hoffnung, Straftaten wie Diebstahl oder Drogenverkauf zu unterbinden. Ob dies gelingt, darüber legen die Behörden aber kaum Rechenschaft ab. Zulässig sind solche personenbezogenen Aufnahmen an Kriminalitätsschwerpunkten. Wieso in München etwa Stachus und Marienplatz überwacht werden, erschließt sich daraus nicht. Dies seien alte Verkehrsüberwachungskameras, sagt Bayerns Datenschutzbeauftragter Reinhard Vetter. Die Speicherzeiten der Bänder variieren nach Bundesland, in Bayern beträgt die Frist zwei Monate, in Baden-Württemberg sind es zwei Tage.

In England haben Wissenschaftler der Universität Hull herausgefunden, dass Überwachungskameras oft unsauber eingesetzt werden, wenn Menschen sie steuern: um Frauen nachzuspionieren etwa oder politische Demonstranten zu überwachen. Zudem können die Bänder in falsche Hände geraten. Im Internet findet sich ein britisches Video mit Namen „Caught in the Act“, eine Sammlung von Sexszenen und Straftaten an öffentlichen Orten, aufgenommen von Überwachungskameras.

Die Fortsetzung des langen Datenschatten des Bürger X finden Sie in dieser Datei .

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