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Bayer. Versamm­lungs­ge­setz: Petition der Humanis­ti­schen Union RV Mch-Süd­bayern

04. Juli 2008

An den
Präsidenten des Bayerischen Landtag
Maximilianeum
81627 München

4. Juli 2008

Eingabe an den Bayerischen Landtag
Gesetzentwurf der Staatsregierung eines Bayerischen Versammlungsgesetzes

Sehr geehrter Herr Präsident,

wir, die Unterzeichner, fordern den Landtag auf, den Gesetzentwurf der Staatsregierung eines Bayerischen Versammlungsgesetzes (Drs. 15/10181) sowie den Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Staatsregierung eines Bayerischen Versammlungsgesetzes (Drs. 15/10812) nicht zu verabschieden.

Der Bayerische Landtag will zum Ende der Legislaturperiode noch ein Gesetz zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Bayern verabschieden. Unsere Petition richtet sich dahin, daß der Bayerische Landtag nicht überstürzt die Versammlungsfreiheit ohne dringenden Grund in einem Eilverfahren einschränkt.

Die Wurzeln der Einschränkung der Versammlungsfreiheit gehen noch auf die Zeit der Monarchie zurück. Das aktuelle Versammlungsgesetz geht auf das Jahr 1953 zurück, als noch der kalte Krieg die Politik und Gesetzgebung beherrschten. Nun soll ein Gesetz mit noch stärkeren Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verabschiedet werden.

Die Expertenanhörung ergab, daß sämtliche Sachverständigen, d.h. ohne Ausnahme, verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Entwurf des Versammlungsgesetzes der Bayerischen Staatsregierung vorgebracht haben. Aus der Anhörung ergab sich auch, daß die Verabschiedung des Gesetzes mit größter Wahrscheinlichkeit gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte verstößt.
Ein Parlament soll nicht nur, sondern ist verpflichtet, die Grundrecht der Bürger zu achten. Jede bewusste Verletzung von Grundrechten, auch im Gesetzgebungsverfahren, stellt einen Angriff auf die Freiheit der Bürger und die freiheitlich demokratische Grundordnung dar.

Im einzelnen verweisen wir auf folgende konkreten Einschränkungen durch die Vorschriften in dem Gesetzentwurf:

  1. Der Gesetzentwurf zeichnet sich dadurch aus, daß er Teilnehmer und Verantwortliche ohne erkennbare Gründe mit einem erheblich höheren Strafmaß bedroht für die Verletzung von zum Teil neuen Ordnungsvorgaben bei der Durchführung einer Versammlung. Diese Vorschriften zielen darauf ab, freie Bürger von der Durchführung und der Teilnahme an Versammlungen abzuhalten.
    Die Tatsache, daß den Versammlungsleitern zudem bisherige polizeiliche Aufgaben aufgebürdet werden sollen, erinnert an Zeiten, in denen „Blockwarte“ die obrigkeitsstaatliche Macht unterstützten.
  2. Zukünftig sollen bereits die Zusammenkunft von zwei Personen eine meldepflichtige Veranstaltung werden. Wenn ein Wolfram Kastner mit einem Freund durch die Fußgängerzone gehen will und mit seiner Kleidung auf ein Problem hinweisen will, kann dies keine genehmigungspflichtige Versammlung sein. Das gleiche gilt z.B. für zwei Bürger, die sich treffen um gemeinsam zu einer Behörde oder einem Funktionsträger gehen wollen um sich dort zu beschweren. Wenn sie sich auf dem Weg dorthin laut unterhalten oder gleiche Anstecker tragen, werden sie zu einer meldungspflichtigen Versammlung. Dies würde bedeuten, daß Zustände geschaffen werden, die schlimmer sind als in den neuen Bundesländern zur Zeit der DDR-Herrschaft.
  3. Die Bayerische Verfassung beweist mit Art.113, daß die Gründer des Freistaates Bayern eine besondere Freiheit der Bürger, sich ohne Anmeldung zu versammeln, festgeschrieben haben. Diese Vorschrift  entstand noch in dem Bewußtsein der Erfahrungen im Dritten Reich, in dem freie Versammlungen nicht möglich waren. Diese freiheitlichen Grundsätze Bayerns sollten nicht noch kurz vor Neuwahlen in den Mülleimer geworfen werden.
    Die Besonderheit Bayerns lag und liegt schon immer in seiner Toleranz und seinem Einsatz für persönliche Freiheiten. Diese wird durch das vorliegende Gesetz auf schwerste eingeschränkt.
  4. Die geplante Reglementierung von nicht öffentlichen Versammlungen und Versammlungen in geschlossenen Räumen stellt einen Verstoß gegen Art 8 des Grundgesetzes. Nur Versammlungen unter freien Himmel unterliegen nach Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz einem Gesetzesvorbehalt. Im Rahmen eines Versammlungsgesetzes können und dürfen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit der Bürger, sich privat in Räumen zu treffen, nicht durch staatliche Organe beschränkt werden. Hierin liegt der Einstieg in den totalitären Obrigkeitsstaat, in dem die Exekutive die freien Bürger an einer unkontrollierten Kontaktaufnahme hindern kann. Veranstaltungen in geschlossenen Räumen, soweit nicht gegen Strafgesetze verstoßen wird, dürfen nicht eingeschränkt oder behindert werden.
  5. Die geplante umfangreiche Aufnahme und Speicherung von Ton- und Bildaufnahmen und die fehlenden Vorgaben zur zeitnahen Löschung stellen einen weiteren Schritt zum „Gläsernen Menschen“ dar. Alleine die Tatsache, daß Übersichtsaufnahmen nicht gelöscht werden müssen, stellt einen groben Verstoß gegen den Datenschutz dar.

Dies sind nicht sämtliche kritischen Punkte des vorliegenden Gesetzentwurf. Insoweit wird auf die Stellungnahmen der Sachverständigen bei der Anhörung vor dem Ausschuß für Verfassungs- Rechts- Parlamentsfragen, dort insbesondere Dr. Klaus Hahnzog, Rechtsanwalt Hartmut Wächtler und Dr. Schulze-Fielitz, verwiesen.

Das Versammlungsrecht, gerade in Bayern, verdient es liberal, nach den Freiheitsrechten der Bürger und nicht nach den Überwachungsinteressen der Exekutive ausgestalten zu werden. Hierzu gehören das Problem der „Schutzwaffen“, des „Vermummungsverbots“, Freiheitseinschränkungen auf dem Weg zu Versammlungen, generelle Versammlungsverbote in Bezirken um den Landtag.

Es wird daher im Rahmen der Petition der Bayerische Landtag aufgefordert, den Gesetzentwurf nicht zu verabschieden, sondern in einem demokratischen bürgernahen und transparenten Verfahren ein Versammlungsrecht zu entwickeln, das den Grundsätzen, die sich auch in der bayerischen Verfassung widerspiegeln, gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Fuchs         Wolfgang Killinger

HUMANISTISCHE UNION e.V.
Regionalverband München-Südbayern

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