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Zwei Nachbarn demon­s­trieren - 'ad oculos' 'Kreuzzug' endet vor Gericht - Wie Bruckmuehl sich an einem Kruzi­fix­gegner raecht

23. Januar 1997

Mit seiner erfolgreichen Aktion gegen das Kruzifix im Klasszimmer seiner Tochter hat Josef Obermeier aus dem Bruckmuehler Ortsteil Bergham bei den Medien bundesweit Aufmerksamkeit gefunden. Waehrend man in der Bruckmuehler Grundschule noch auf das schriftliche Urteil in der juristischen Auseinandersetzung um den endgueltigen Verbleib des abgehaengten Kreuzes wartet, hat sich in der Marktgemeinde im Landkreis Rosenheim der absonderliche ‚Kreuzzug‘ ausgeweitet.
So galt es fuer den Widersacher des christlichen Sinnbilds zunaechst, eine kreuzfromme Lehrerin in die Schranken zu weisen, weil sie sic – quasi als Ersatz fuer den verlorengegangenen Wandschmuck – ein auffaelliges Brustkreuz umgehaengt hatte. Von der ‚ueberdimensionalen Groesse von 18 Zentimetern‘ war die Rede; der Schulleiter kam beim Nachmessen aber auf ’nur 9,7 Zentimeter‘. Mittlerweile ist das Schmuckkreuz am Hals der Lehrerin auf ‚Normalgroesse‘ geschrumpft, worunter man sich eine Laenge von vier bis fuenf Zentimetern vorzustellen hat.
Ruhe ist aber deshalb in Bruckmuehl beileibe nicht eingekehrt. Vielmehr sah sich Kruzifixgegner Obermeier ploetzlich in seinem haeuslichen Umfeld Tag fuer Tag mit dem unerwuenschten Objekt konfrontiert: Zwei Nachbarn hatten sich zu einem Akt entschlossen, den die Juristen ‚Demonstration ad oculos‘, also das Vor-Augen-Fuehren der Gegenposition, nennen, und hatten auf der Grenzlinie zwischen ihren Grundstuecken ein stattliches Feldkreuz errichtet. Mit juristischen Mitteln dagegen anzurennen, erwies sich als sinnlos, weil das Kreuz mit Billigung der Behoerden in die Landschaft gestellt worden war.
Dass aber das Feldkreuz gegenueber seinem Wohnhaus bei Obermeier eine Wirkung hatte, wie man sie einem Pfahl im Fleisch zuschreibt, blieb den Berghamer Passanten nicht verborgen. Eines Tages praesentierte sich das uebermannshohe Feldkreuz rundum mit Latten vernagelt, und zudem waren Zettel mit Texten angeklebt, zu deren ’satirischem‘ Inhalt sich Obermeier freimuetig bekannte. ‚Sperrbezirk‘, war beispielsweise zu lesen. ‚Seit Karfreitag ’96 wuetet hier die als Feldkreuz-Berghamscher Religionswahn bekannt gewordene Seuche. Es herrscht Ansteckungsgefahr. Vor allem lichtscheue und feige Gestalten sind akut gefaehrdet.‘ Weil das Entfernen der Aufkleber nichts half und bald neue Anschlaege am Kreuz prangten – darunter auch ‚Liebesbriefe von der Gegenseite‘, wie Obermeier boshafte Zuschriften seiner Widersacher nennt, landete der Fall vor dem Aiblinger Amtsgericht. Ein Nachbar Obermeiers, der das Feldkreuz unter seine Obhut genommen hat, klagte mit dem Ziel, den Kruzifix-Opponenten zu verurteilen, jede Einwirkung auf das Feldkreuz zu unterlassen und insbesondere keine Gegenstaende mehr anzubringen und anzuheften‘. Der Beklagte wehrte sich gegen den indirekten Vorwurf, er habe das Kreuz mit Latten vernagelt (‚Luege‘), bekannte sich aber zu den angeklebten Zetteln mit den provozierenden Texten.
Die Frage des Richters, ob er auch in Zukunft solche Anschlaege vorhabe, beantwortete Obermeier sibyllinisch: ‚Mal sehen, was heute rauskommt.‘ Ein Urteil ist freilich am Tag der Verhandlung noch nicht rausgekommen. Weil hinsichtlich der Zettelaktion die Taeterschaft ohnehin ausser Frage stand, ging es bei der zweistuendigen Gerichtsverhandlung hauptsaechlich um die von der Anwaeltin Obermeiers vorgebrachten Zweifel, ob der Klaeger ueberhaupt Eigentuemer des Feldkreuzes und damit ‚klageberechtigt‘ sei. Seine Entscheidung will der Aiblinger Amtsrichter Mitte Maerz verkuenden.

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