Rede der Preis­trä­gerin Anneliese Lintzmeyer

Sehr geehrter Herr Prof. Hering,
sehr geehrte Damen und Herren der Humanistischen Union,
sehr geehrter Herr Steininger,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde!

Daß wir hier in historischen Räumen selbst der Anlaß einer Veranstaltung sind, hätten wir uns natürlich nie träumen lassen.
Wir bedanken uns daher bei der Humanistischen Union / München für die Beachtung unserer Aktivitäten zum Natur- und Kulturlandschaftsschutz in Oberbayern und für die Auszeichnung mit dem Preis „Aufrechter Gang 2000″.
Wir empfinden diese Auszeichnung als eine besondere Ehre, ist doch die Humanistische Union die älteste bundesdeutsche Bürgerrechtsorganisation, die die Belange von Minderheiten und von Menschen und Gruppierungen verteidigt, die keine ausreichende Lobby haben, um ihre berechtigten Forderungen und Rechte durchzusetzen.
Unter anderem setzt sich die Humanistische Union auch für demokratische Mitwirkungsrechte, für Bürgerbeteiligung, für Volksentscheide, Volksabstimmung und für die Stärkung der Meinungsfreiheit ein.
Wir nehmen diesen Preis „Aufrechter Gang 2000“ gerne an, stellvertretend auch für alle Personen, Verbände und Bürgerinitiativen, die sich ebenfalls uneigennützig und in Verantwortung für Mensch, Natur und Kultur für unsere nachfolgenden Generationen oft Jahrzehnte mit großem Engagement einsetzen und ihre Ziele trotz der auch in Bayern verankerten Demokratie wegen der Übermacht der Verbündeten von Kapital und Politik auf rechtsstaatlichem Wege nicht oder nur unzureichend erreichen können.

Die Humanistische Union wurde auf uns aufmerksam durch unsere öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten einerseits zu dem umstrittenen McDonald’s-Restaurant auf dem Irschenberg, andererseits auf unser jahrzehntelanges Engagement um den Erhalt der Natur und im besonderen um die erforderliche UnterschutzsteIlung des Rotwandgebietes im Landkreis Miesbach als Naturschutzgebiet.
Der Irschenberger McDonald’s-Bau ist derzeit die höchste bekannte Stätte auf bayerischem Boden, der beweist, wie der bayerische Staat und seine Behörden mit dem fragwürdigen amerikanischen Großkapital verquickt ist, das im Falle von McDonald’s-Deutschland einen Jahresumsatz von 3,8 Milliarden DM hat und zu den 1000 bestehenden in den nächsten 10 Jahren weitere 1000 Fast-Food-Bauten plant – auf Kosten auch der bayerischen Landschaft.
Wir haben am Anfang dieses Jahres nach der rechtlich sehr fragwürdigen und bedauerlichen Baugenehmigung durch das Landratsamt Miesbach exemplarisch den Planungsverlauf des Irschenberger McDonald’s-Fast-Food-Restaurants vom Beginn der öffentlichen Diskussion an bis hin zur Baugenehmigung mit sämtlichen Ungereimtheiten, politischen und behördlichen Schachzügen und den kriminellen Begleiterscheinungen in einer Dokumentation zusammengefasst, um einerseits einer breiten Öffentlichkeit die skandalöse Vorgehensweise des ganzen Planverfahrens und die Diskriminierung von Planungsgegnern vor Augen zu führen und zum anderen, für die Nachwelt die Verantwortlichen und Handlanger dieser gezielten Landschaftsverschandelung Oberbayerns zu benennen.
Die Vorgehensweise der Planungs- und Genehmigungsbehörden läuft nach unserer Erkenntnis in Bayern bei sämtlichen umstrittenen und gesetzesverstoßenden Genehmigungsverfahren mit einigen Varianten immer nach dem selben Strickmuster.
Die politische Planentscheidung fällt längst vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren.
Wir wurden des öfteren gefragt, warum wir so leidenschaftlich gegen diese Bebauung auf dieser landschaftlich so herausragenden Kuppe mit diesem grandiosen Panorama kämpfen, wo wir doch keinerlei wirtschaftliche Interessen hätten und uns durch unseren Widerstand nur Feinde machten.
Genau das ist jedoch der Knackpunkt in unserer Gesellschaft.
Unsere Kriterien für unseren Einsatz waren primär die Wertschätzung und die Ästhetik für unsere einmalige oberbayerische Kulturlandschaft und die Verhinderung der Bebauung der landschaftlichen Glanzpunkte der Gemeinde Irschenberg sowie der Landschaftsgenuß für alle Menschen, die sich daran erfreuen. Daraus schloß sich unsere Kritik und die anderer an, daß von Anbeginn an alle relevanten Vorgaben der Regionalplanung, der Voralpenbekanntmachung, des Naturschutzgesetzes, der Kulturlandschaftspflege, des Baugesetzbuches und der Bayerischen Bauordnung ebenso mißachtet wurden wie die erforderliche Würdigung von Einsprüchen und Petitionen von V erbänden, Vereinen, Parteien und Privatpersonen im Rahmen der Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene, aber auch im Bayerischen Landtag.
Nach unserer Meinung ist die Irschenberger McDonald’s-Plangenehmigung rechtswidrig zustande gekommen. Es wurden dabei auch Grundrechte und Klagerechte im Umweltbereich verletzt. Vor allem die Grundgesetzartikel 20 (3) und 20 a, die die vollziehende Gewalt und damit den Staat, aber auch die Rechtsprechung nicht nur an Gesetz und Recht, sondern auch an den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gebunden hat.
Nicht die guten Argumente, sondern die Übermacht und der Einfluß von Geld und Parteipolitik haben am Irschenberg, wie auch andernorts, die Szene bestimmt. Eine Beschwerdeführung wie unsere Aufsichtsbeschwerden gegen die Gemeinde Irschenberg und das Landratsamt Miesbach sowie vor dem Verwaltungsgericht wurde wegen der bayerischen parteilichen Verfilzung sämtlicher Instanzen der Legislative, der Exekutive sowie Justiz verunmöglicht.

Es zog sich auch nach unserer Erkenntnis eine „Schleimspur“ von der Bayerischen Staatsregierung über die Ministerien und Fachbehörden zum Landratsamt und zur Gemeinde Irschenberg samt Bürgermeister und Gemeinderäten. Ich gehe sogar soweit, daß die Verhinderung der Aufdeckung von insgesamt 10 anonymen Drohbriefen aus Irschenberg gegen uns und andere, die Einstellung der staatsanwaltlichen Ermittlungen dieser Straftaten, die Nichtzulassung einer Normenkontrollklage am Verwaltungsgericht durch dieses Komplott verursacht wurde.
Die objektive Kontrolle der Verwaltung durch das Verwaltungsgericht ist in Bayern demnach nahezu unmöglich.
Darum „braucht Macht Kontrolle“, wie dies auch das derzeit laufende Volksbegehren fordert.
Richter sowie Aufsichts- und Prüforgane dürfen nicht länger Handlanger der jeweiligen Mehrheitspartei sein.
Wie geht es Menschen, die sich ohne wenn und aber und von einem Verantwortungsgefühl geleitet, in Wort und Schrift in aller Öffentlichkeit gegen rechtswidrige und nicht landschaftsverträgliche Planungen stellen?
Daß man sich bei den Planungsprofiteuren und den befürwortenden Genehmigungsbehörden mit Einsprüchen nicht beliebt macht, war uns ja klar. Aber daß durch unhaltbare Planungsbegründungen wie: 
*  Arbeitsplatzbeschaffung und Steuerversprechungen, 
* Irschenberg braucht McDonald’s zum Überleben,
sowie
* Verleumdungen, Unterstellungen, Beeinflußung gesellschaftlicher Gruppierungen im Gemeindebereich unter Inaussichtstellung von Zuwendungen durch McDonald’s und
* die angebliche Rindfleisch-Abnahmegarantie für die
Landwirtschaft,
eine dermaßen verhetzte und aufgeheizte Stimmung durch die Gemeinderäte und den Bürgermeister von Irschenberg sowie durch die Planungsprofiteure gegen uns zustande kam, war für uns eine sehr bittere Erfahrung.
 
Unsere Unbeirrbarkeit und die Ausdauer und Kraft waren begründet darauf, daß wir uns unserer Argumente sicher waren und, daß der Gesetzesvollzug noch funktioniert.
Die persönliche Einmischung und Befürwortung der Irschenberger McDonald’s-Planung durch den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber, belegt durch mehrfachen Schriftverkehr zwischen der Gemeinde Irschenberg und dem Ministerpräsidenten bereits im September 1997, noch vor Beginn des Planungsverfahrens, beweist, daß das Genehmigungsverfahren eine Farce war und von Anfang an ein abgekartetes Spiel zwischen Staatsregierung, Mc.Donald‘ sund der Gemeinde Irschenberg mit seiner Planungshoheit wiederspiegelt.

Dies macht uns ganz besonders zornig und wütend, weil durch diese Ohnmacht und Hilflosigkeit die Bereitschaft und der Mut der Bürger, sich an Geschehnissen und Planungen vor Ort zu beteiligen und Planungsentscheidungen gegebenenfalls entgegenzutreten, auf null sinkt.
Um so weniger fällt dann auch ein Engagement für globalere Bereiche im Sozial- und U mweItbereich aus.
Auch das Irschenberger Beispiel zeigt:
Die Regierung und die Behörden haben in Bayern keine ausreichende Kontrolle, ihre Macht ist außer Kontrolle geraten. Die Folge ist Resignation und Angst bei vielen Bürgern. Dies können Sie landauf, landab in folgenden Redewendungen und Schutzbehauptungen erfahren:
„Die machen ja sowieso, was sie wollen“ oder
„Man kann ja eh nichts gegen die Stärkeren erreichen“ oder „Es lohnt sich sowieso nicht, sich für etwas einzusetzen“ oder „Ich werde doch nicht meine Freizeit und Geld in einen aussichtslosen Kampf investieren“ oder
„Geld regiert die Weit, auch wenn es Schmiergeld ist“ oder “ Wer gut schmiert, der fährt gut“ oder
“ Wenn ich einmal von der Gemeinde z.B. eine Genehmigung brauche, so können sie mich schikanieren“ oder
„Ich habe ein Geschäft, da kann ich mir keine Meinungsäußerung erlauben“ .
Genau diese Menschen sind mitverantwortlich, daß die Mächtigen in Politik und Wirtschaft immer mächtiger werden und ihre Macht mißbrauchen und immer rigoroser Gesetze, Verordnungen machen und Menschenrechte mißachten.
Diese Menschen lassen sich verbiegen und täuschen, bis Körper und Geist krank werden und ihr Selbstwertgefühl verkrüppelt ist. Ich beobachte sehr oft, daß Menschen mit diesen Floskeln und Desinteresse bis hin zu Verweigerung, sich zu informieren, sich feige aus der Verantwortung stehlen.
„Sog ma nix, dann woas i von nix.“
Die Akzeptanz und das Ansehen in ihrem Umfeld ist vielen wichtiger als die Rechtfertigung vor sich selbst. Motto dieses Verhaltens: „Ja nicht auffallen“.
So trifft dieser Spruch auch hier zu :
„Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom“.
Unsere Staatsbürgerpflicht ist nicht allein dadurch erfüllt, alle paar Jahre zu Wahl zu gehen und ansonsten am Stammtisch oder auf sonstigen Veranstaltungen seinen Frust loszuwerden. Nein, man muß seine eigene Meinung selbstbewußt formulieren und begründen und ggf. auch schriftlich und termingerecht im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung in ein Verfahren einbringen.
Rückblickend möchte ich zusammenfassen:
Das Zustandekommen des Irschenberger McDonald’s-Baus beruht in unseren Augen auf einem rechtswidrigen Planungsverfahren. Bezeichnend ist, daß es einem Konzern wie McDonald ’s gelungen ist, mit Hilfe der Politik alle Gesetze und Vorgaben, die gegen diese Bebauung sprachen, außer Kraft zu setzen.
Das Bundesarbeitsministerium u.a. haben den McDonald’sKonzern nicht ohne Grund „als rechtswidrig agierend“ bezeichnet. Die Begründung war die gesetzeswidrige Einbehaltung von Arbeitgeberanteilen an die Sozialversicherung – 8 Mio. DM pro Jahr.
Unser Kampf war unter diesen Vorzeichen ein Kampf „David gegen Goliath“.
Wir investierten dabei sehr viel Zeit, Geld und Leidenschaft. Wir wuchsen mit diesem Einsatz, unser Selbstwertgefühl wurde gestärkt.
Es entwickelte sich ein starkes Band mit allen Mitkämpfern und Verbündeten. Wir haben dabei echte Freunde gewonnen. Es ist ein gutes Gefühl, nichts unversucht gelassen zu haben. Wir können in den Spiegel schauen.
Wir würden auch wieder so handeln. Nachahmung wird empfohlen.
Alles, was uns nicht umbringt, macht uns stark.
Um gewachsene Kulturlandschaft in Bayern jedoch wirksamer erhalten zu können, um uns fortan derartige Planungen wie McDonald’s auf dem Irschenberg zu ersparen, muß ein derartiger Mißbrauch der kommunalen Planungshoheit der Gemeinden wie in Irschenberg zukünftig verhindert werden.
Hierzu müssen nicht nur die einschlägigen Gesetze nachgebessert werden, sondern auch das Verbandsklagerecht in Bayern z.B. für den Bund Naturschutz eingeführt werden, damit der auf Einzelpersonen lastende Druck genommen wird und damit nicht nur die Grundbesitzer eine Verwaltungsentscheidung überprüfen lassen können, die unmittelbar neben einer umstrittenen Planung wohnen.
In diesem Sinne bedanken wir uns bei allen, die uns bei diesem Widerstand gegen McDonald’s unterstützt und moralisch begleitet haben. Dies soll für uns alle ein Auftrag sein, weiterhin wachsam zu bleiben. 
Lassen Sie mich mit einer Weisheit Senecas schließen:
„Nicht, weil es schwer ist, handeln wir nicht, sondern weil wir nicht handeln, wird es schwer.“

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Weitere Informationen:

Festakt

Laudatio von Helmut Steininger

Ankündigung und Begründung der Preisverleihung

Begrüßung

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