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Erinne­rungen an Helga und Wolfgang Killinger

Am 13. September ist Helga Killinger gestorben, ihr Ehemann Wolfgang zwei Monate später am 15. November dieses Jahres. Beide „Urgesteine der HUMANISTISCHEN UNION und mit einem unerschütterlichen Kompass ausgestattet für die vielen kleinen und großen Ungerechtigkeiten im Lande.“

So steht es in der Traueranzeige der HUMANISTISCHEN UNION die in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist. Die Erinnerungen von Freunden/innen und Weggefährten/innen haben wir als Ergänzung zur Traueranzeige gesammelt.

Landesverband Bayern

 

Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt,
der ist nicht tot, der ist nur fern;
tot ist nur wer vergessen wird.
Immanuel Kant

 

Heide Hering, München

Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, Helga war die Seele der HU- sie war so lange Bundesgeschäftsführerin, kannte alle, wusste alles.

Ich habe fast mein ganzes politisches Leben mit ihr zusammengearbeitet. Und zwar mit Freuden und mit Gewinn. Und mit Spaß: wir demonstrierten auf dem Stachus als Müttergruppe mit unseren kleinen Kindern und ausgestopften Bäuchen: wir sind gerne Mütter, aber freiwillig. Oder wir entwickelten die Idee der sieben vom Vatikan anerkannten Verhütungsmittel und führten sie als weiße Bräute beim Münchner Katholikentag vor: den Apfel, fest zwischen die Beine geklemmt, das Netzsöckchen als Verhüterli, die Smarties als nur süße Ablenkungspillen … Ernsthafte Kampagnen haben wir gemeinsam initiiert, das erste Antidiskriminierungsgesetz und – vor der Wende – „Frauen in bester Verfassung“. Diese Initiative mit tausenden Postkarten führte dannauch tatsächlich zu einer Grundgesetzänderung des Art. 3 GG. In den siebziger Jahren gründeten wir den Arbeitskreis Emanzipation- ausdrücklich von Frau und Mann. Jetzt kam Wolfgang ins Spiel, er war engagierter Feminist und einer der wenigen Männer der Gruppe. Ich erinnere mich noch gut, daß wir am Dienstag nie tagen konnten, dienstags machte Wolfgang zu Hause die Wäsche. Wir organisierten eine Münchner Tagung „auch der „Mann gehört ins Haus“ mit einer Wäscheklammer als Tagungsabzeichen.

Gefeiert wurde auch – eine rauschendes Kostümfest hieß „Emanzen tanzen“. Aus der politischen Zusammenarbeit entwickelte sich Freundschaft. Wir feierten zusammen Geburtstage und fuhren zu viert, die Killingers und die Herings, oft auf die documenta. Von dieser Vierergruppe sind diesen Herbst drei gestorben, im September mein Mann Tim, dann Helga, und jetzt Wolfgang. Erst vor kurzem, am Ende unseres Lebens, haben Helga und ich noch den Sterbepass ausgeheckt, eine Ergänzung zur Patientenverfügung, für den Fall, daß wir dement werden.

So hatten wir beides im Blick, den Anfang und das Ende des Lebens als selbstbestimmte Entscheidung des Menschen.

Helga Lenz, Lübeck

Beharrlich und freundlich, konsequent und warmherzig, offen und geduldig haben sich die „Killingers“ über Jahrzehnte für Humanität und Gerechtigkeit eingesetzt. Ohne Verbitterung, offen für neue Entwicklungen haben sie den Stein des Sisyphus immer wieder ein
Stück nach oben gerollt und Denkanstöße gegeben.

Dafür vielen Dank.

Ihr wart und bleibt ein großes Vorbild.

Elfi Padovan, München

Das wunderbare, aufrechte, engagierte Ehepaar Helga und Wolfgang Killinger durfte ich bei meinem Einsatz für einen Gerechten Frieden in Nahost näher kennenlernen.
Die beiden waren in München die Seele der Humanistischen Union. Ich danke meinem Schicksal, dass ich so wunderbare, unbeirrbar aufrechte Menschen in meinem Freundeskreis haben durfte. Nachdem der lebenslangen Friedenskämpferin Judith Bernstein 2017 für den Vortrag über ihre Geburtsstadt Jerusalem die Saalnutzung im Gasteig in München nur gerichtlich erkämpft werden konnte, war auch die HU über diese Diskriminierung entsetzt.
In einer Welt voller Ungerechtigkeiten und unfassbarer Verleumdungen ist man unendlich dankbar für aufrechtes Denken, und das verbindet. Die HU verlieh dann 2018 den Preis „Der aufrechte Gang“ an die unermüdlichen Friedensaktivisten Judith und Reiner Bernstein – und wieder wurden städtische Räume für die HU-Preisverleihung verweigert.

Diese traurigen Vorgänge hat die HU in einer bewegenden, aufklärerischen Broschüre dokumentiert.

Damit wollten Wolfgang und Helga Killinger im Münchner Stadtrat einen konstruktiven Impuls setzen. Gerne habe ich da meine Mithilfe zur Verfügung gestellt und in dem schönen, gemütlichen Haus in Gauting zusammen mit den beiden Lieben die Briefe an 82 Stadträte/rätinnen fertiggestellt. Wir bekamen eine einzige Antwort vom SPD-Fraktionsvorsitzenden, einen kühlen Dankesbrief.

Danach konnte ich nur mehr die traurige Krankheitszeit freundschaftlich begleiten, bis zur letzten Nachricht, als Wolfgang mitteilte, dass er „austherapiert“ aus dem Krankenhaus entlassen werde.

Zu einem Krankenbesuch ist es dann leider nicht mehr gekommen, die Ankündigung hat Wolfgang Killinger aber noch gefreut.

München ist durch den Tod von Helga und Wolfgang Killinger ganz sicher ärmer geworden.

Die beiden fehlen uns sehr.

Udo Kauß, Freiburg

Bürger­rechte im Doppelpack

Zuerst durch Helga lernte ich die bayrische Variante von Bürgerrechten kennen. Bürgerrechtliches Sprechen auf bayrisch war für mich, selbst in der katholischen Enge Bayern groß geworden und damals in Berlin lebend, eine völlig neue Erfahrung. Bürgerrechtliches in der damaligen Münchener HU-Geschäftsstelle, und durch die offenen Fenster drangen bierseelige Gesänge vom nahen Hofbräuhaus. Helga verstand es in den vielen Jahren, die sie als Geschäftsführerin der HU ein Scharnier zwischen den bürgerrechtlichen Themen und deren administrativer Umsetzung war, die vielen kleinen und großen Eitelkeiten bei Mitgliedern und Vorstand auf ein HU-verträgliches Maß herunter zu beamen. Und an ihrer Seite Wolfgang, verlässlicher, kenntnisreicher und initiierender Ansprechpartner in allen bürgerrechtlichen Fragen.

Wolfgang hat mich zuletzt im Verfahren um die Verfassungswidrigkeit der automatisierten polizeilichen Kennzeichenerfassung (verdachtslose Massenkontrolle – Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.2018) begleitet und mit seinem Sachverstand dafür gesorgt, dass wir informationstechnischen Laien (und das Gericht) nicht den beschönigenden Darstellungen der Exekutive aufgesessen sind.

Helga und Wolfgang, Bürgerrechte im Doppelpack, lebten diese mutig und ohne zustimmungsheischenden schiefen Blick, bis zuletzt – in der schwierigen BDS-Debatte.

Hedwig Krimmer, München

Ob bei Veranstaltungen zum Jahrestag des Oktoberfestanschlags, ob bei Treffen gegen das bayerische Versammlungsgesetz, wann auch immer wir Veranstaltungen im Gewerkschaftshaus hatten: Wenn ich sah, wie Helga und Wolfgang durch die Tür kamen, wurde mir warm ums Herz. Sie waren für mich in ihrer ganzen Ausstrahlung die menschliche Verkörperung des Humanismus. Sie redeten fast nie aber hörten aufmerksam zu. Sie waren nie überschwänglich, aber ganz bei der Sache. Einmal, als ich bei einer Versammlung für die
Kampagne Versammlungsfreiheit die Nerven verlor und laut wurde – stand Wolfgang auf und verließ wortlos den Raum. Da stand ich vorne und mir rutschte das Herz in die Hose – diese Lehre werde ich nie vergessen. Man schreit nicht Menschen an, mit denen man zusammenarbeiten will.

Franz Josef Hanke, Marburg

Diskus­si­onen nie verloren

Als Geschäftsführerin hat Helga Killinger immer danach getrachtet, die Arbeit der HU-Regionalgliederungen vor Ort zu unterstützen. Wenn sich der HU-Ortsverband Marburg wochenlang nicht mehr bei ihr gemeldet hatte, dann rief die Bundesgeschäftsführerin aus München an und fragte, wie es mir geht und was sonst so anliegt. Mit dem Umzug der HU-Bundesgeschäftsstelle von München nach Berlin hat Helga ihr Amt als Geschäftsführerin aufgegeben. Doch ging sie nicht im Groll, sondern blieb der HU als engagierte Mitstreiterin für Bürger- und Frauenrechte verbunden. Über die 40 Jahre unserer gemeinsamen Arbeit in der HU hinweg habe ich sie immer als Humanistin wahrgenommen, die ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter als Menschen wertschätzt und nicht nur als Mitstreitende.

Währenddessen war Wolfgang Killinger jahrzehntelang „der Mann für ́s Präsidium“: Zahlreiche Delegiertenkonferenzen und Verbandstage hat er moderiert und sich um eine kontroverse wie zugleich auch immer konstruktive Diskussionskultur bemüht. Oft war
das eine schwierige Aufgabe.

Während Wolfgang die letzten Jahre trotz merklicher Altersbeschwerden immer noch zu „neuen Ufern“ wie beispielsweise dem Geheimdiensttribunal aufbrach, merkte man Helga ihr Alter kaum an. Beide blieben gesund im Geist, was mich am Ende darauf
hoffen lässt, dass Bürgerrechtsarbeit fithalten kann.

Till Müller-Hei­del­berg, Bingen

Wolfgang Killinger – das war jahrzehntelang ein Synonym für HU Bayern. Und ein Zweites: Wenn vom Geheimdienst Verfassungsschutz die Rede war, dann war Wolfgang Killinger einer vom einem halben Dutzend Namen, die einem zu diesem Thema sofort einfielen, war er doch einer der Mitverfasser (zusammen mit Werner Holtfort, Jürgen Seifert, Hannes Haupt und Till Müller-Heidelberg) des ersten großen HU-Memorandums 1981 zu dieser verfassungsschädlichen Behörde: „Die (un)heimliche Staatsgewalt. Memorandum zur Reform des Verfassungsschutzes“. Damals glaubten wir noch an die Reformierbarkeit des Verfassungsschutzes.

Helga Killinger – das war für mich und viele immer Herz und Seele der HU, war sie doch ebenfalls Jahrzehnte die Geschäftsführerin der HU. Und sie wusste einfach alles über die HU.

Gunda Diercks-Elsner, Lübeck

Beeindruckt haben mich an Helga und Wolfgang neben ihrer Herzlichkeit und Toleranz ihre unbeirrbare Zielstrebigkeit, wenn es um die Verwirklichung und den Schutz der Bürgerrechte, ihre Tätigkeit für die Humanistische Union ging. Dabei waren sie immer mit einem herrlich entspannten Humor ausgestattet und haben uns insbesondere in München viele wunderbare Stunden bereitet.

Ich bedaure sehr, sie in den letzten Jahren nicht mehr getroffen zu haben.

Rosemarie Will, Berlin

Helga und Wolfgang haben mich mit ihrer Freundschaft beschenkt und mir damit die Welt des linksliberalen Bürgertums der alten Bundesrepublik und die Geschichte der Humanistischen Union erschlossen. Ihr Wirken in der Humanistische Union war für mich
beispielhaft. Ihr immer abrufbares alltägliches Engagement und ihre Art, lebenswichtige Dinge des Alltags wie Selbstbestimmung beim Sex, in Ehe und Familie, beim Sterben und schon sehr früh beim Umgang mit unseren persönlichen Daten, als bürgerrechtliche Themen zu bearbeiten und für sie einzutreten, hat mich tief beeindruckt und auch geprägt. Sie gehören zu denen, durch die mir klar geworden ist, warum es wichtig ist, stetig in der Bundesrepublik für die Verteidigung und Erweiterung der Grundrechte auch jenseits aller parteipolitischen Debatten einzutreten.

Jennifer Clayton-Chen, München

Für Helga und Wolfgang, im November 2021

HU-Büro München, Bräuhausstraße: der Raum übersät mit hohen Papier- und Bücherstapeln, auch die Stühle „besetzt“. Inmitten des nach einem Geheimcode geordneten Chaos Helga, fröhlich scherzend gemeinsam mit Helfern Rundschreiben eintütelnd. Delegiertenkonferenz: Helga strahlend, funkelnde Augen, immer den Schalk im Nacken, präsent, voll da, auf ihr Gegenüber fokussiert; Wolfgang etwas im Hintergrund am Gespräch teilnehmend,
schmunzelnd, gemütlich brummend, manchmal laut auflachend. Überlässt seiner Chérie gerne die Star-Rolle. Chéri, Chérie: wie zauberhaft. So werde ich sie in Erinnerungbehalten.

Günther Gerstenberg, München

Vor etwa 50 Jahren hatten viele ihre prügelnden und schweigenden Elternhäuser endgültig verlassen oder waren aus trostlosen Kinderverwahranstalten davongelaufen, viele hatten mit der bürgerlichen Gesellschaft gebrochen. Die strukturelle Gewalt machte uns zu Außenseitern. Ich lebte im Kreis gleichaltriger Frauen und Männer. Wir waren zwar keine braven Lämmchen und hatten manches auf dem Kerbholz, die Repressionsorgane aber schlugen gnadenlos zu, provozierten Panik, Verzweiflung, Aggression und Autoaggression. Wir gingen davon aus, dass die Staatsmacht als ausführendes Organ der alten Gewalten uns nicht nur einhegen, sondern eliminieren wollte; unsere Wut richtete sich besonders gegen die „Scheißliberalen“, die das wohlfeile Wort von „Freiheit“ immer so aalglatt im Munde führten und damit die herrschenden Strategie demokratisch verkleideten.

Mitte der 70er Jahre kam ich eher zufällig zu einer Versammlung, die die Jahrhunderte dauernde Unterdrückung der Frauen thematisierte. Es sprach unter anderen Helga Killinger. Ich hörte aufmerksam zu. Frau Killinger zerpflückte mit Genuss die verlogene Doppelmoral der Verfechter des Paragraphen 218, die nicht zuletzt emanzipierte Frauen als „Mörderinnen“ beschimpften, und erläuterte akribisch die verheerenden Konsequenzen für Kinder, die in eine kinderfeindliche Welt geworfen werden. Ihre Forderungen, um die katastrophalen Zustände zu beseitigen, verstand ich nur zum Teil, was ich aber begriff: Es gibt Menschen, die etwas tun, das überhaupt erst ermöglicht, dass wir Desperados uns noch bewegen können. Sie setzen sich dafür ein, dass Grundrechte nicht verwässert oder gar geschleift werden. Mit
ausdauernder Zähigkeit und mit List arbeiten sie sogar daran, die Basis der Grundrechte zu verbreitern. Nicht nur mit Worten, sondern mit TATEN. Viele von uns begriffen jetzt, dass es nicht nur „wir hier und die dort“ gibt, nein, wir sind nicht die einzigen, die dem Goliath entgegentreten, da gab und gibt es noch viel mehr.

Heute meine ich: Ohne Euch wären wir nicht mehr da. Wir senken unsere schwarzen Fahnen. Die durchgeknallten Desperados danken Helga und Wolfgang Killinger von ganzem Herzen.

Judith Bernstein, München

Helga und Wolfgang Killinger haben mein verstorbener Ehemann Reiner und ich bei unseren gemeinsamen Freunden Heide und dem vor kurzem verstorbenen Ehemann Tim Hering kennengelernt.

Helga ist mir sofort durch ihre engagierte, aber vor allem herzliche und liebenswürdige Art aufgefallen. Wolfgang schien mir ebenfalls eine sehr engagierte und ernste Person in der Tradition der Humanistischen Union – beide eben im Geist von Fritz Bauer, dem
Mentor der HU. Sehr überrascht waren Reiner und ich, als wir erfuhren, dass Heide der HU empfahl, Reiner und mir den Preis „Aufrechter Gang“ zu verleihen für unseren Einsatz zur Verlegung von Stolpersteinen in München sowie unseren unermüdlichen Beitrag zur Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Allerdings wurden der HU
sämtliche Räume verweigert mit der Begründung, dass die „Preisträgerin als Mitglied der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München auf der Unterstützerliste der BDS Kampagne steht“. Heide, Helga, Wolfgang und Wolfgang Stöger gaben nicht auf, und so fand die Preisverleihung am 28.01.2018 vor 350 Personen und mit wunderbaren Reden von Dr. Tilman Spengler und Wolfgang Stöger statt.
Ich denke, dass diese Veranstaltung auch Helga und Wolfgang geprägt hat, eben auch hier das Vermächtnis von Fritz Bauer weiterzuführen: das Gedenken an den Holocaust als Mahnung wachzuhalten, was aber nicht bedeutet, dass der Holocaust als Freibrief für Menschenrechtsverletzungen dienen kann. Denn die einzige Lehre aus Auschwitz kann nur sein, dass so etwas sich niemals und nirgendwo wiederholt.

Wolfgang Stöger, München

Seit etwa sechs Jahren war ich mit Wolfgang Killinger im Vorstand der Humanistischen Union. Wir organisierten Veranstaltungen mit dem NS-Dokumentationszentrum zu Fritz Bauer, verliehen an Bernhard Anton Rauball sowie Judith und Reiner Bernstein den Preis Aufrechter Gang, machten eine Podiumsdiskussion zur Einschränkung der Meinungsfreiheit in München, diskutierten die Bürgerrechte im Betrieb, die bayerische Verfassung u.a.m. Helga Killinger nahm an allen Veranstaltungen teil. Sie und Wolfgang waren meist die ersten und gingen als letzte.

Ab 2020 war die Vorstandsarbeit deutlich reduziert, nicht nur wegen der coronabedingten Einschränkungen, sondern auch wegen der Erkrankung von Wolfgang. In den letzten ein bis eineinhalb Jahren telefonierte ich fast wöchentlich mit Helga, um nach Wolfgang zu fragen. Jeder Anruf kostete mich etwas Überwindung, weil ich eine schlechte Nachricht befürchtete. Die gab es auch. Nachbehandlung, wieder Krankenhaus, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme ….

Aber immer hörte ich eine freundliche, lebensfrohe Frau. Oft habe ich Hilfe angeboten, das war nie nötig. Umgekehrt: Helga hat gefragt, wo sie die Arbeit des Vorstands unterstützen könnte. Unvergesslich bleiben, das fröhliche Lachen (besonders, wenn ich gesagt habe, dass sie unglaublich viel leistet) und immer das abschließende, badisch gefärbte: „Ade“. Von Wolfgang gab es weiterhin sporadische Rückmeldungen über E-Mail. Zur Mitgliederversammlung, Ende Juni, kam er von der Krankheit gezeichnet, begleitet von einem Krankenpfleger. Zum ersten Mal ohne Helga! Vor dem Ende der Versammlung, schrieb er auf ein Blatt Papier: „Lieber Wolfgang, ich muss bald gehen, Helga braucht mich. Könntest Du die 2 x5 vorgänge an die Vorstände für Werbezwecke verteilen. W.“

Ab Sommer dieses Jahres telefonierte ich nicht mehr mit Helga Killinger, ich habe nur noch die/den Krankenpfleger/in erreicht. Am 13. September ist Helga Killinger gestorben. Im September teilte Wolfgang dem Vorstand das bittere Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen mit und legte sein „HU-Vorstandsmandat mit sofortiger Wirkung nieder“.

Am 15. November ist Wolfgang Killinger gestorben.

Ich werde Euch nicht vergessen!

Assunta Tammelleo, Gelting

Helga und Wolfgang habe ich vor vielen vielen Jahren (also meiner Erinnerung nach Anfang der 90er Jahre) mitten in München in der Geschäftsstelle der Humanistischen Union (die ja in der Bräuhausgasse gewesen ist) getroffen. Es gab dort einen von den Killingers für die HU ins Leben gerufenen Arbeitskreis „Trennung von Staat und Kirche“. Der tagte dort in der Regel vier Mal im Jahr. Es war eine lose Zusammenkunft von Engagierten aus der Humanistischen Union, von den Freidenkern, vom bfg München (von dem aus ich dort war) und noch andere interessierte Menschen. Es war ein angenehmes Klima, herzlich und freundlich. Es wurde viel und ernst diskutiert, es wurden Aktionen geplant, Beteiligungen an Demos vereinbart, aber auch viel gelacht. Helga und Wolfgang waren nachdrückliche Befürworter einer echten Trennung von Staat und Kirche und haben dieses Thema nie aus den Augen verloren. Keine Ahnung mehr, wann es war, aber irgendwann bin ich dann in die HU eingetreten, die Arbeit insbesondere der Landesgruppe in Bayern (geleitet von Helga und Wolfgang) hat mich sehr beeindruckt.

Helga war zum Zeitpunkt, als ich das erste Mal in der Geschäftsstelle der HU auftauchte, wohl dort noch Geschäftsführerin, insgesamt 22 Jahre hatte sie dieses Amt inne. Die beiden, Helga und Wolfgang, waren nicht nur ein ausgesprochen harmonisch wirkendes Paar, sondern auch eines, das auf geradezu natürliche Weise gleichberechtigt wirkte. Beide waren gleichermaßen spannende Persönlichkeiten, interessierte politisch engagierte Menschen und anregende Gesprächspartner. Solch ein Paar habe ich in den inzwischen über 35 Jahren, die ich insbesondere auch säkular politisch aktiv bin, kaum noch andere getroffen (das kann man/frau an einer Hand abzählen). Und wir waren – Helga, Wolfgang und ich – politisch vielfältig verbunden, denn es ging uns dreien auch nicht nur um die Trennung von Staat und Kirche, sondern natürlich auch um Abrüstung, Frauenrechte, Gleichberechtigung insgesamt, Widerstand gegen Rassismus und Antisemitismus usw. usw. Zusammen waren wir auf Demos, auf Ostermärschen und auch als MitläuferInnen (sozusagen) ab 2007 bei den CSD-Paraden in München. Und: im Wechsel mit der HU haben wir irgendwann einmal begonnen, auf Einladung des damaligen Geschäftsführers von Radio LoRa München 92,4 – Dietmar Freitsmiedl – auch Radio zu gestalten.

Es war dann auch in 2007, dass wir vom Vorstand des bfg München beschlossen hatten, bei unserer Heidenspaßparty an Karfreitag (das ist nochmal eine ganz andere Geschichte; diese Party war der Beginn einer Klage durch alle Instanzen gegen das Tanzverbot an sog. Stillen Tagen) unsere ordentlichen Mitglieder Helga und Wolfgang Killinger zu Ehrenmitgliedern zu machen. Sie haben diese Ehrenbürgerschaft
beide angenommen. Und sie haben unsere bfg-Aktivitäten immer auch mitgetragen und mit unterstützt. Auch, als wir 1995 im Anschluss an das erste Kruzifix-Urteil sozusagen (aus Karlsruhe) in München einen „Gottlosen-Stammtisch“ begründeten, da hatten wir auf unserem bfg-Anrufbeantworter üble Morddrohungen! Aber Helga und Wolfgang haben auch solche Aktivitäten, die nicht alle gut fanden, immer mit Engagement mitgetragen und uns unterstützt…

Und irgendwann, vor mindestens 12 Jahren, haben wir zufällig festgestellt, dass Wolfgang, Helga und auch ich sehr gerne Skifahren. Und – alle drei – seit Jahren immer zum Skifahren in Lech am Arlberg sind. Und dann haben wir uns auch dort getroffen. Beim letzten Mal hatte die Helga schon aufgehört mit dem Skifahren, da ist dann der Wolfgang halt mit dem gemeinsamen Sohn Michael noch gefahren. Das war auch immer sehr entspannt, wenn wir uns da getroffen haben. Und sehr, sehr gesellig.

Sehr traurig bin ich, dass sie nicht mehr bei uns sind, so wie wir sie kennen. Mit Helga und Wolfgang Killinger sind politisch und sozial engagierte Menschen nicht mehr bei uns, wie es sie so kaum noch oft geben wird. Zu hoffen bleibt, dass sie friedlich, mit sich im Reinen und
ohne Schmerzen diese letzte Reise angetreten haben. Während ich hier schreibe, schaue ich nach oben und recke die gestreckten Zeige- und Mittelfinger in Richtung Wolke sieben (oder neun oder wie auch immer).

Liebe Helga, lieber Wolfgang, Ihr bleibt unvergessen! Vielen Dank für die wunderbaren Begegnungen…

Hansjörg Siebels-Horst, München

Laut meinem Mitgliedsausweis bin ich Anfang 1982 in die HU eingetreten. Etwas später habe ich für den Ortsvorstand in München kandidiert, wurde gewählt, und spätestens damit begann eine lange Zeit der Freundschaft mit Helga und Wolfgang. Im Einsatz für
Bürgerrechte waren beide unermüdlich, Wolfgang eher ruhig,  geduldig argumentierend, Helga temperamentvoller und mit einem ansteckenden Lachen. Besonders erinnere ich mich an die gemein- samen Vorbereitungen für die Preisverleihungen „Aufrechter Gang“, und nicht zuletzt an die vielen Hindernisse, die der Münchner HU durch die Stadt München bei der Ehrung von Judith und Reiner Bernstein in den Weg gelegt wurden. Mancher hätte da vielleicht aufgegeben, aber nicht ein Wolfgang Killinger. Es gab aber nicht nur politisch Verbindendes, es war eine auch menschlich bereichernde gemeinsame Zeit, die nun Vergangenheit ist.

Ich werde beide nicht vergessen.

 

 

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