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"Schnipp, schnapp, Kabel ab"

22. Juli 1982

München ist eine von vier Städten, in denen Pilotprojekte zum Kabelfernsehen durchgeführt werden sollen. Allerdings haben sich anderenorts (in Dortmund, Berlin und im Städteverbund Ludwigshafen-Mannheim) die politischen Kräfte derart zerstritten, daß eine Verwirklichung der Pilotprojekte dort in weiter Ferne liegt. In München dagegen geht es – so die von der Staatsregierung berufene Projektkommission – Ende 1982 mit einem gleitenden Start los. Geplant ist zunächst eine Aufstockung der Programme auf zwölf Kanäle. Später soll eine Ausweitung auf bis zu 40 Kanäle folgen, mit Bildschirmtext, Pay-TV (Fernsehkonsum auf Bestellung) und sogenannten „interaktiven Diensten“ (Einkauf am Bildschirm, Bank-Kontakt via Fernseher).

Erfolgs­mel­dung schon vor dem Test

Die Gegner des „gleitenden Starts“ sind neben der BIKK der Bayerische Landesfrauenausschuß, die aktion jugendschutz in Bayern e. V., der Freidenker-Verband, der „Klingenmünster Kreis“ zur „Förderung des naheliegenden Gedankens, daß wir nicht mehr Fernsehen brauchen“, der Kinderschutzbund, die Humanistische Union und eine Vielzahl von Jugendverbänden und Jugendeinrichtungen aus den betroffenen Stadtteilen. Mit in die Allianz eingebracht haben sich auch die bayerische SPD und der DGB-Landesbezirk. Ihre Contra-Argumente lauten: 1. Das Münchner Pilotprojekt ist „kein Test“, der Erfolg steht vorher „schon fest“. 2. Kabelfernsehen ist teuer und sozialschädlich: („Mehr Fernsehen führt zu weniger Menschlichkeit in unserer Stadt“). Und 3. Die Neuen Medien zerstören Arbeitsplätze: „Wissenschaftler sprechen von einem Drittel der Arbeitsplätze, die in den nächsten zehn in Jahren verlorengehen werden“.

Einen Boykott-Aufruf an die Bevölkerung verkneifen sich die Kabel-Gegner allerdings noch. Man befürchtet Auswirkungen auf die Begleituntersuchung: „Wenn alle Zweifler eine Anschließung ablehnen, bleiben für den Test nur noch die Fernseh-Fanatiker übrig“ – und die Akzeptanz-Untersuchung fällt für die Betreiber noch günstiger aus als sie schon aufgrund ihrer Anlage ohnehin ausfallen wird.

Die Öffent­lich­keit endlich wachrütteln

Trotz guter Aussichten (die Münchner Lokalzeitungen berichteten fast nur negativ über die bisherigen Vorbereitungen zum Pilotprojekt) wollen die Skeptiker also realistisch bleiben. Wenn es schon nicht gelingen sollte, den Kabelkommerz zu verhindern“, sagt Horst Brüsch, Vorsitzender des Kreisjugendrings München-Stadt, „dann haben wir wenigstens die Öffentlichkeit wachgemacht.“ Und in ihrem Gründungspapier verspricht die Bürgerinitiative, daß man sie 1985 zwischen 23.4. 7 Uhr und 23.4. 8 Uhr auf Kanal 44 empfangen kann – „aber nur vielleicht“.

Kontaktadressen:
– Bürgerinitiative gegen Kabel-Kommerz, c/o Klaus WinckIer,
Winterstr. 2, 8000 München 90
– Kreisjugendring München-Stadt. AG Neue Medien,
Paul-Heyse-Str. 22, 8000 München 2

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