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DIE HUMANIS­TI­SCHE UNION UND DIE FRAUEN

08. Juli 2011
DIE HUMANISTISCHE UNION UND DIE FRAUENHeide Hering spricht über die HU und die Frauen

Heide Hering spricht über die HU und die Frauen

Ich rede über die Humanistische Union und die Frauen. Ich werde eine Wäscheklammer erwähnen, falsche Bäuche, die Zahl 3, etwas in Lila und etwas Peinliches und das Ganze soll nur 10 Minuten dauern – also auf geht’s.

Ich fange gleich mit dem Peinlichen an. Es ist Ende der 60er Jahre – die Referendarin Heide Hering wird von Kollegen überredet, mit nach Frankfurt zu einer Demo gegen die Notstandsgesetze zu fahren. Dort tritt Jürgen Seifert auf. Sie ist begeistert und versucht zuhause, ihren Gefährten zu überzeugen, daß diese HU doch eine wichtige Organisation ist und daß ER da beitreten muss. ER, sie selbst sah sich dort nicht.
So war eben der Zeitgeist. Als die HU vor 50 Jahren gegründet wurde, war sie ein Männerverein wie alle anderen.

Mit der Frauenbewegung wehte ein neuer Wind – auch in der HU. Klammer auf: inzwischen war auch ich diesem Verein beigetreten – Klammer zu.
Die HU suchte einen neuen Vorsitzende, zum ersten Mal kandidierte eine Frau. Charlotte Maack stellte als Bedingung: eine weitere Frau in den Vorstand, das wurde ich, eine absolute Quotenfrau – und kurz darauf gab es sogar eine weibliche Geschäftsführerin, Helga Killinger, die den Verein dann bis zum Umzug nach Berlin so erfolgreich und kompetent organisiert hat.

Unser Arbeitskreis in München hieß „Emanzipation von Frau und Mann“, die Männer waren also von vornherein mit im Boot. Es war uns klar, daß die Veränderung der Frauenrolle auch den Mann und seine Rolle verändern würde. Salopp haben wir es damals so formuliert: die Männer machen Platz für die Frauen im Beruf und die Frauen machen Platz für die Männer im Haushalt und bei den Kindern. Ja – – heute pfeifen das die Spatzen von den Dächern – aber damals – unerhört !
Folgerichtig organisierten wir 1975 in München den ersten Männerkongress. Der Button für diesen Kongress war eine Wäscheklammer, auf die wir in Handarbeit gestempelt hatten: auch der Mann gehört ins Haus. das Wort Genderpolitik gab es noch lange nicht – wir haben diese Politik damals vorweggenommen.

Bei den Frauengruppen ging es damals vor allem um Selbsterfahrung und Bewusstsein und das ja total zu Recht. Für die HU geht es immer um die politische Durchsetzung und hier also : um Gesetze für Frauen. 1976 war das Jahr der Frau. England gab sich – nach amerikanischem Vorbild, ein Antidiskriminierungsgesetz. in Deutschland wurde das weder von der Parteien noch von den Medien wahrgenommen. Wir beschlossen im Vorstand, ein solches Gesetz auch für Deutschland zu fordern. wir haben es nicht nur als erste gefordert, wir haben es auch mit Experten erarbeitet und veröffentlicht. Besonders umstritten waren damals die darin vorgesehenen Frauenförderpläne und die Quotierung in allen Bereichen und auf allen Ebenen (immer gleiche Qualifikation vorausgesetzt). Pikanterweise wurde damit argumentiert, dass so etwas – Quotierung und Förderung – verfassungswidrig sei. Die Konsequenz wäre also, dann muss man eben die Verfassung ändern – und genau das haben wir erreicht – aber davon später. Um ein Haar wäre ein solches ADG aber damals zustande gekommen. 1979 plante der damalige FDP-Innenminister Baum ein umfassendes Diskriminierungsverbot und die HU wurde zur Beratung gebeten. Leider platzte dann diese Regierung, und das Thema war für Jahrzehnte vom Tisch.
Unser Entwurf sah neben dem Gesetz eine Behörde oder eine Kommission vor, für Beschwerden und mit eigenem Klagerecht . Die damalige SPD hat aus dieser Idee die Frauenbeauftragten entwickelt, die dann trotz fehlenden Gesetzes für die Durchsetzung der Gleichberechtigung in Deutschland unentbehrlich wurden.

Gleichzeitig tobte der Kampf um die Abschaffung des § 218. Hier war die HU wieder Avantgarde – sie forderte die ersatzlose Streichung des Abtreibungsverbots. Wir HU – Frauen in München haben uns falsche Schwangerschaftsbäuche ausgestopft und standen auf dem Stachus mit unseren Kleinkindern, die waren echt, unter dem Transparent „wir sind gerne Mütter, aber freiwillig“. Der Kampf endete über die Zwischenstufen Indikation, dann Fristen und schließlich im heute gültigen faulen Kompromiss.

Als sich abzeichnete, daß Deutschland vereinigt werden würde, war uns klar, jetzt muss eine neue – gemeinsame – Verfassung erarbeitet werden, wie es die Präambel des Grundgesetzes vorsah. Ich setzte mich mit zwei Feministinnenfreundinnen zusammen und an unserem Esstisch in Neubiberg heckten wir die Frauenforderungen an eine neue Verfassung aus. wir nannten das ganze „Frauen in bester Verfassung“, der HU – Vorstand machte sich diese Initiative zu Eigen. Es wurde eine echte Erfolgsstory.
Die verschieden en Frauenorganisationen schlossen sich an, die Grünen, die SPD – Frauen. Wir tagten – als Antwort auf die Verfassungsversammlung von Herrenchiemsee auf Frauenchiemsee. Unzählige lila Postkarten mit den Forderungen wurden gedruckt, und landeten schließlich in Waschkörben beim Hearing der Verfassungskommission in Bonn. Zuvor waren alle Verfassungsinitiativen im Kuratorium für einen demokratisch verfassten Bund deutscher Länder zusammengefasst worden.
Eine neue Verfassung gab es letztenendes nicht. Das alte GG wurde aber in einigen Punkten ergänzt – und der Artikel 3 – der Gleichheitsartikel – lautet jetzt zusätzlich: „der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Viola ! Jetzt haben wir also die gesetzliche Grundlage, nein, die Verpflichtung des Staates zu solchen Maßnahmen wie Frauenförderpläne und Quotierung.
Ich bin nicht sicher, ob unsere Regierung sich dessen bewusst ist – die Nutzung dieser Möglichkeit ist ja wohl momentan ja eher sparsam.

Ich komme zum Schluss. Jubiläen erfordern ja auch Visionen. ich nenne drei Anregungen, wie die HU auch in Zukunft die Gleichberechtigung vorantreiben könnte. Da wäre
1. die Abschaffung des Ehegattensplittings – ein Thema der HU schon lange
2. die brandneue Idee aus Frankreich, den Vaterschaftsurlaub für Arbeitgeber ebenso verpflichtend zu machen, wie bisher den Mutterschaftsurlaub.
3. und in weiter Ferne – eine saubere Lösung des § 218. Es muss eines Tages ein neues Grundrecht geben, das lautet: jede Frau hat das Recht zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austrägt oder nicht. In den USA nennt man das reproductive freedom. Das wäre ein Novum. Ein Menschenrecht, das einleuchtenderweise nur für Frauen gilt. Es ist der HU würdig, die sich immer auch für die Selbstbestimmung am Ende des Lebens eingesetzt hat, die Selbstbestimmung auch beim Beginn des Lebens zu fordern.

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