EU-Richtlinie über Vorratsdatenspeicherung steht in der Kritik
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Ortsgruppe Regensburg freut sich über einen durchschlagenden Erfolg. Zu einer überregionalen Veranstaltung am Donnerstag, dem 17. November 2011, erschienen über 100 Gäste. Von 20 bis 23 Uhr wurde im vollen Vortragssaal des Alten Finanzamtes unter dem Titel „Sicherheit vs. Grundgesetz – Ist die europaweite Überwachung der Telekommunikationsdaten notwendig und verhältnismäßig?“ lebhaft und auf hohem Niveau mit einem hochkarätig besetzten Podium diskutiert. Andreas Schmal, Organisationssekretär beim DGB Region Regensburg, führte als Moderator souverän durch den Abend.
Die Europäische Richtlinie wurde vom Publikum zum Teil auf das Schärfste kritisiert. Vor allem die zuständige EU-Abgeordnete Birgit Sippel war Adressatin der Wortmeldungen. Sie beharrte darauf, dass zuerst die laufende Evaluation zur Effizienz, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung abgewartet werden müsse. Ihr Kollege Ismail Ertug, der die Veranstaltung gemeinsam mit dem AK Vorrat initiiert hatte, äußerte größere Bedenken bezüglich der anlasslosen Datenspeicherung und forderte das Publikum auf, ihm Alternativen zu nennen. Er kündigte an, im Zweifel gegen die Richtlinie zu stimmen.
Ganz anders als vielleicht von vielen erwartet kristallisierte sich zum Ende der Veranstaltung auch tatsächlich eine Alternative zur Vorratsdatenspeicherung heraus. „Zehn Jahre nach 9/11 und vor dem Hintergrund eines andauernden Kampfes gegen den Terror brauchen wir ein Moratorium für neue Sicherheitsgesetze, um endlich eine Überprüfung aller bestehender Sicherheitsgesetze durchzuführen“, so der Vorschlag von Armin Schmid von der Ortsgruppe Regensburg. „Diese Forderung wird vom AK Vorrat und seinen Bündnispartnern seit Jahren vehement bei den ‚Freiheit statt Angst‘ Demonstrationen in Berlin und anderswo vorgetragen!“, so der Aktivist weiter.
Kein Podiumsteilnehmer widersprach diesem Fazit. Auch Ronald Kaiser von CSUnet, einer netzpolitischen Neugründung innerhalb der CSU, gab lediglich abschließend zu Bedenken: „Sicherheit versus Freiheit ist kein einfache Frage.“ Er verwies damit auf ein Positionspapier junger Konservativer, das sich noch in Arbeit befinde.
Der prominente Rechtsanwalt Thomas Stadler bekräftigte den Konsens: „Wir müssen schauen, was es da insgesamt für Befugnisse gibt. Da kann einem dann schon schwindlig werden. Der Gesetzgeber hat ein wahres Füllhorn ausgeschüttet. Bei der Gesamtbetrachtung kommt man noch viel eher an einen Punkt wo man sagt, irgendwann müssen wir einen Schlussstrich ziehen.“
Auch Peter Schall, stellvertretender Landesvorsitzender der GdP Bayern schlug am Ende die selbe Richtung ein und bekam dafür viel Applaus: „Ich kann das gut verstehen, wenn gerade junge Menschen hier Misstrauen gegen den Staat haben. Mich regt das selber auf – der ja auch auf das Grundgesetz vereidigt worden ist – wenn heute Politiker sagen: Ja, das Bundesverfassungsgericht hat jetzt so entschieden, aber das ist uns wurscht, dann machen wir es halt anderst.“
Josef Falbisoner, langjähriger Vorsitzender von ver.di Bayern und ehemaliges Aufsichtsratsmitglied der Telekom, betroffen durch den Telekom-Spitzelskandal freute sich über den gelungenen Abend und betonte im Hinblick auf die selbst erlebte Überwachung: „Ich habe eine Erfahrung machen müssen, auf die ich gerne verzichtet hätte und die ich niemandem wünsche!“ und ergänzt dann noch: „Ich will selber entscheiden, wann ich privat unterwegs bin, ob im Netz oder anderswo. Nur soviel Daten wie notwendig, alles andere weg.“
Der Abgeordnete Ismail Ertug nahm die Anregungen positiv auf: „Dieses Moratorium für Sicherheitsgesetze war es, was ich gesucht habe, das ist ein guter Ansatz. Ich denke, das wäre tatsächlich die Möglichkeit, mal Luft zu holen und sich zu vergegenwärtigt, wie die Sachlage ist.“
Birgit Sippel griff die vorangegangenen Meinungen auf und bedauerte: „Ja, man müsse erst einmal alle Maßnahmen prüfen, bevor man neue ergreift. Das versuchen wir im europäischen Parlament seit langem, wir bekommen nur leider keine Mehrheiten dafür. Da mauern die Mitgliedsstaaten und da mauern die Mehrheitsparteien, eine solche Rechnung mal aufzumachen.“ Im Hinblick auf den Fortgang der Evaluierung in 2012 erklärte sie: „Mein Eindruck ist, dass es keine Fakten geben wird, die belegen, dass diese Maßnahme überhaupt nicht zu ersetzen ist für die Sicherheit der Bürger. Ich bin ziemlich gespannt wie der nächste Bericht aussehen wird und vor allem bin ich darauf gespannt, welche Alternativen gegebenenfalls von der Kommission vorgeschlagen werden.“
Stefan Köpsell, IT-Experte von der TU Dresden, gab als letzter in der Runde seinen Hoffnungen und Erwartungen Ausdruck: „Ich hoffe, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht wieder eingeführt wird. Auch hoffe ich, dass der Bericht zeigt, dass sie keinen nachweislichen Nutzen hat und deshalb vielleicht sogar auf europäischer Ebene wieder zurück geschraubt wird. Falls sie doch wieder eingeführt wird, hoffe ich nur, dass die Daten durch irgendeine Magie doch sicher zu speichern sind.“
Das Video des Live-Streams steht als Download zur Verfügung unter: http://www.akv-r.de/?p=151. Auf dem Foto Podium sind zu sehen, von links nach rechts: Armin Schmid, Andreas Schmal, Dr. Stefan Köpsell, Birgit Sippel, Peter Schall, Ismail Ertug, Ronald Kaiser, Josef Falbisoner und Thomas Stadler.
Bisher wurden Artikel zu der Veranstaltung auf www.regensburg-digital.de und www.internet-law.de veröffentlicht:
http://www.internet-law.de/2011/11/podiumsdiskussion-zur-vorratsdatenspeicherung.html>
Wir stehen Ihnen natürlich gerne telefonisch und per E-Mail zur Verfügung:
Armin Schmid 0176-322-17-315, armin@vorratsdatenspeicherung.de
Annette Schnettelker 0176-621-52-613,
annette.schnettelker@vorratsdatenspeicherung.de
Sven Seeberg 0176-811-52-535