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Bloße Kosmetik. Versamm­lungs­ge­setz bleibt rechts­s­taats- und demokra­tie­feind­lich

Bloße Kosmetik. Der rechts­s­taats- und demokra­tie­feind­liche Regie­rungs­-­Ent­wurf zum Versamm­lungs­ge­setz bleibt im Kern erhalten.

Der Antrag enthält Änderungen für 11 der 28 Artikel des Gesetzentwurfs der Staatsregierung. Da einzelne Artikel mehrfach geändert werden sollen, sind es über 30 Sachänderungen. Da könnte man meinen, es sei fast ein neues Gesetz beabsichtigt, das die vielen Kritikpunkte des Sachverständigen-Hearings im Landtag am 8.5.2008 berücksichtigt; Kritikpunkte, die auch von den von der CSU benannten Sachverständigen zu hören waren. Dem ist leider nicht so, es handelt sich nur um Randkorrekturen. Dazu kurz Folgendes:

1. Bei Übersichtsaufnahmen gibt es hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeiten gewisse Einschränkungen, aber weiterhin bleibt die Identifizierung einzelner Personen ein Jahr lang zulässig.

2. Die bisherige Regelung in Art. 15 Abs. 1, dass Beschränkungen und Verbote auch ausgesprochen werden können, wenn „Rechte Dritter unzumutbar beeinträchtigt werden“, soll gestrichen werden. Zur Begründung wird von der CSU angeführt, das sei von der Staatsregierung nur „deklaratorisch“ gemeint. Dabei wird verschwiegen, dass die Staatsregierung entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich auf S. 22 erklärt hatte: „Die schutzwürdigen Drittrechte müssen der Versammlungsfreiheit nicht gleichrangig sein“. Dies wird dann trotz Streichung des „Deklaratorischen“ weiterhin als Meinung des Gesetzgebers im Raum stehen bleiben.

3. Das rechtsstaatlich nicht fixierbare („Gesamtschau“) Militanzverbot in Art. 7 Abs. 1 und 2 bleibt erhalten. Lediglich das allgemeine Uniformierungsverbot in Art. 7 Abs. 3 wird gestrichen, erlebt dann aber nach Nr. 10 des Änderungsantrags seine Wiedergeburt in Art. 23 a neu des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes.

4. Die ganze Reihe von neuen Einschränkungen bleibt – manchmal mit marginalen Änderungen – erhalten:

  • die Erweiterung der notwendigen Angaben bei der generellen Anzeigepflicht mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht,
  • die Datenmeldung für Veranstalter und Ordner,
  • die Neudefinition der Versammlung mit 2 Personen,
  • keine fernmündliche Anmeldung außer bei Eilversammlungen,
  • die neue Anmeldungsfrist von 72 Stunden bleibt erhalten,
  • nur die Einsatzleitungen der Polizei müssen sich bei den Veranstaltern auch bei kleinen überschaubaren Versammlungen zu erkennen geben,
  • bei der Änderung der Kooperation fehlt eine Absage an die Praxis, dass rechtsextreme Veranstalter und bürgerschaftliche Gegenveranstalter an einen Tisch kommen sollen.

Fazit: Auch mit den Änderungen der CSU würde dieses Gesetz nicht dem Leitbild des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, dass die Versammlungsfreiheit „ein Stück ursprünglicher ungebändigter unmittelbarer Demokratie“ gewährleistet.

Vorzuziehen ist auf jeden Fall eine Lösung wie in Sachsen, das das Versammlungsgesetz des Bundes – natürlich in der Ausprägung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – übernimmt mit Ausnahme des § 15 Abs. 2, für den eine landesspezifische Regelung hinsichtlich schützenswerter Tage und Orte vor Rechtsextremen vorgesehen wird. Bei einer Anhörung im Sächsischen Landtag am 2.6.2008, an der ich als Sachverständiger teilnahm, erfuhr ich, dass in Sachsen-Anhalt und Brandenburg ähnliche Gesetze geplant sind. In diesen Ländern spielt die Versammlungsfreiheit nach den Erfahrungen Ende der 80-er Jahre etwa mit den Leipziger Montagsdemonstrationen eine ganz wichtige Rolle, so dass niemand auf den Gedanken käme, ein solch versammlungsfeindliches Gesetz wie in Bayern zu beschließen.

Dr. Klaus Hahnzog

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