Festakt zur Preis­ver­lei­hung an Irmgard Gietl

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Seit mehr als drei Jahren beteiligt sich Irmgard Gietl an Protesten gegen die geplante atomare Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (WAA). Die Hausfrau und Mutter dreier Töchter aus Maxhütte-Winterling in der Oberpfalz organisierter Demonstrationen und Mahnwachen am WAA-Bauzaun und mobilisierte Freunde und Bekannte zum Protest gegen „dieses menschenverachtende Großprojekt, das unsere Heimat zerstört“. Als Anerkennung und Ermutigung verlieh ihr der Münchner Ortsverband der Humanistischen Union jetzt den Preis „Aufrechter Gang“, der in diesem Jahr erstmals vergeben wurde.

Gemeint ist der aufrechte Gang von Bürgerinnen und Bürgern, die sich wie Irmgard Gietl für Bürgerrechte und Demokratie ein¬setzen. Getreu der Devise der Humanistischen Union „Auch das beste Grundgesetz kann sich nicht selber verteidigen – wir wollen es tun“ sollen mit der Auszeichnung Männer und Frauen geehrt werden, die staatliches Handeln nicht kritiklos hinnehmen, sondern für ihre Rechte eintreten. Der Landessprecher der HU-Bayern, Bernd Fricke, überreichte der Oberpfälzerin deshalb eine Figur, die dieses Engagement symbolisiert: einen Kaktus mit Stacheln in Form eines aufrechten Menschen mit dem Grundgesetz unter dem Arm.

Eine Symbolfigur sei Irmgard Gietl selbst bereits geworden, würdigte der Landtagsabgeordnete Dietmar Zierer (SPD), stellvertretender Landrat von Schwandorf und nach eigenen Angaben Irmgards Mitstreiter im Widerstand gegen die WAA, die Geehrte. Sie verkörpere für viele Bürger den friedlichen Widerstand gegen eine lebensbedrohende Anlage und stehe ihnen als „ganz normale Hausfrau dabei sehr nahe“, meinte Zierer in seiner Laudatio. In Irmgard Gietl sehe er den neuen Typ des kritischen Bürgers verwirklicht. Deshalb, so Zierer, hoffe er, daß der Preis auch Ermutigung für alle anderen Oberpfälzer sei, die sich gegen die Wackersdorfer Anlage engagierten, „denn wir brauchen diese Ermutigung dringend“. Angesichts des besonderen Mutes, den vor allem die Bürgerinnen an den Tag legten, sei es dabei mehr als gerecht, daß mit Irmgard Gietl eine Frau die Auszeichnung erhalte.

Ermutigung für andere erhofft sich auch die Preisträgerin selbst von der Preisverleihung. „Vielleicht können wir damit noch mehr Leute motivieren, gegen die Zerstörung unserer Heimat zu kämpfen“, meint Irmgard Gietl. „Wir“, das sind ihre vielen Mitstreiter in der Oberpfalz, ohne deren Rückendeckung ihr Einsatz nicht möglich gewesen wäre, wie sie sagt. Deshalb will sie den Preis auch nur stellvertretend für die Mitglieder aller Bürgerinitiativen gegen die WAA in Empfang nehmen. Große Geldbeträge sind damit nicht verbunden, doch das würde die Oberpfälzer Hausfrau sowieso nicht für sich beanspruchen. „Auch alle Spenden, die ich zusammentragen kann, gebe ich weiter an unsere Bürgerinitiativen“ erklärte die Geehrte.

„Widerstandssocken“ für die Mahnwache

Freizeit bleibt ihr inzwischen keine mehr, aber sie bereut ihr Engagement nicht. Kraft schöpfe sie von den anderen, ihrer Familie, die hinter ihr stehe und von den vielen Briefen, in denen ihr Gesinnungsgenossen Mut zusprächen. Irmgard Gietl revanchiert sich auf ihre Weise. Sie strickt „Widerstandssocken“, die sie verschenkt, damit bei der sonntäglichen Mahnwache vor dem WAA-Bauzaun keiner kalte Füße kriegt. Damit sind jetzt auch Bernd Fricke und Dietmar Zierer, denen Irmgard Gietl nach der Preisverleihung je ein Paar ihrer Socken überreichte,  für die Wintersonntage in Wackersdorf gerüstet.

Eva Corell in der SZ vom 7.10.88

 

Ankündigung und Begründung der Preisvergabe

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