Festakt zu Preis­ver­lei­hung an Magdalena Federlin

25.09.1989

MÜNCHEN (SZ) Magdalena Federlin aus Aichach, 28, Mutter zweier Kinder, angeklagt der Abtreibung in einem Fall, in Memmingen verurteilt, nach Einspruch freigesprochen – diese Frau, die als einzige öffentlich für ihr Recht eintrat, wurde jetzt von der Humanistischen Union (HU) in München mit dem Preis „Aufrechter Gang“ geehrt. „Zur Ermutigung für andere Frauen“.

  Wenn nämlich zum Gedenken an die „unschuldigen Opfer der Abtreibung“ – nach dem Willen der Bischofskonferenz – am 28. Dezember von allen katholischen Kirchen die Glocken läuten, dann wird damit auch eine neue Kampagne gegen die Frauen eingeläutet. So sieht es die Humanistische Union. Darum will sie Frauen Mut machen. Darum hat sie Magdalena Federlin ausgezeichnet.
  Eine Emanze ist sie nicht, auch nicht, was man sich unter einer „Heldin“ vorstellt, wie sie Uschi Pausch-Gruber, SPD-Landtagsabgeordnete, in ihrer Laudatio dennoch nannte. Magdalena Federlin stammt vom Land, betreibt in Aichach einen Naturkostladen, zieht zwei Kinder groß. Sie sieht aus wie die junge „Frau von nebenan“, die am Sonntag den Kinderwagen durch den Englischen Garten schiebt: Hosen, Hemdbluse, ungeschminkt. Was macht sie zur Heldin?

  Uschi Pausch-Gruber sagt: Sie habe sich im Memminger Schauprozeß bewußt der „zerstörten Privatheit, der peinlichen Entblößung“ gestellt. „Nun hat sie den aufrechten Gang durch eine sensationsgierige Öffentlichkeit gewagt.“ Magdalena Federlin wäre es lieber gewesen, wenn es einen solchen Preis gar nicht geben würde. „Wenn es selbstverständlich wäre“, sagte sie, „für sein Recht einzutreten, ohne Repressalien fürchten zu müssen.“

  Um die Repressalien, um den Druck, dem Frauen, Sozialberater und Ärzte zunehmend ausgesetzt werden, drehte sich auch die anschließende Diskussion mit dem eigens zur Preisverleihung angereisten Arzt Horst Theissen, der Leiterin des Internationalen Frauentreffs Memmingen, Anne Leipert, und der Pro-Familia-Vertreterin Brigitte Heidelmeyer. Heide Hering von der HU formulierte das Fazit: – „Solange die Kirche und die herrschenden Patriarchen sich mehr um die ungeborenen als um die lebenden Kinder und ihre Mütter kümmern, setzen wir uns zur Wehr.“ Der nächste Prozeß steht an. In Koblenz wurde „wegen des Verdachts unzulässiger Schwangerschaftsabbrüche in 54 Fällen“ Anklage gegen einen Frauenarzt erhoben. Auch die berüchtigten Fragebögen sind bereits wieder in Umlauf.

Karin Friedrich

Veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung vom 28.9.1989

 

Laudatio von Ursula Pausch-Gruber

Ankündigung und Begründung der Preisverleihung

Interview mit Magdalena Federlin

 

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