Laudatio auf Gisela Forster

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gisela Forster, lieber Magnus, Thomas, liebe Gabriele (Claudia Doris Viktoria Emanuela Pippilotta)!

Es gibt zwei traditionelle Grundwahrheiten, erstens, Männer sind klüger als Frauen, zweitens, die Erde ist eine Scheibe. Letztere wurde jüngst stark erschüttert. Ereignete es sich doch, daß 350 Jahre nach dem Tode Galileis dieser nun im Jahre 1992 von Papst Johannes Paul II. in den Schoß der Kirche zurückgeholt wurde, …in den Schoß der Kirche .. welch treffende Beschreibung! „Voreilig und unglücklich“ sei Galileo Galilei geächtet worden, „aus tragischem gegenseitigen Verkennen“, so der Papst. Wir sind verunsichert, erschüttert, wenn Satz 2 nicht mehr gilt, was ist dann mit Satz 1? Sollte sich auch hier, bezogen auf die Kirche und ihre Einschätzung der Frauen, eine Veränderung, eine Umkehr anbahnen? Hier kann ich Sie beruhigen. Die Unterordnung, Unterdrückung, die Ächtung der Frauen hat in der starren Männerhierarchie der Kirche ohne Veränderung ihr Fortbestehen. Durch zwei Jahrtausende, durch alle Jahrhunderte, trotz Renaissance und Revolution, trotz Aufklärung und Humanismus, trotz Demokratie, Frauenwahlrecht und sog. Gleichberechtigung fährt diese weltweit manifestierte Männergesellschaft der kath. Kirche fort, die Frau zu ächten und zu mißachten. Einzig eine, die nicht mehr lebt, die durch den Makel der Geburt verschmutzt wurde, darf verehrt werden.
Männer der Kirche, die eine lebende Frau achten, sich ihr annähern, sie lieben, werden ebenfalls ausgestoßen und geächtet, so wie es Anselm Forster erleben mußte. Gleichzeitig jedoch werden diese Männer von der Kirche wieder umworben. Wenn sie dieser Sünde abschwören, diesen Fehltritt bereuen, ja dann wäre die Kirche bereit, diese reuigen Männer-Sünder wieder aufzunehmen. Wenn sie dem Schoß der Frauen abschwören, dann werden sie wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen. Wenn sie der Mißachtung der Frauen wieder Ausdruck geben, dann sind sie wieder kirchenfähig und dürften sogar das Wort Gottes wieder verkünden.
Für die Frau jedoch bleibt diese Kirche verschlossen. Wie wohltuend und erfreulich, daß wir heute hier beisammen sind zur Preisverleihung „Aufrechter Gang“ der Humanistischen Union an Gisela Forster. Der HU herzlichen Dank für diese Entscheidung! Der Lebenslauf von Gisela Forster offenbart eine typische Frauen-Vita: mehrere Ausbildungen, Abschlüsse, hochqualifiziert, trotzdem ist die Karriere unterbrochen, umgeleitet, der Drahtseilakt mit drei Kindern – haben diese genug Aufmerksamkeit? – ein Durchtauchen durch die gewaltigen Ansprüche der Kindererziehung und des Berufs, daneben der starke Wunsch, ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten … Gisela Forster, geboren 1946 in München, aufgewachsen in Berg, Wangen, Schlagenhofen, alle im Landkreis Starnberg, und in München. Erster Berufswunsch, Ministerin in Bonn, am liebsten für Wohnungsbau, um die Wohnungsmisere zu beenden und den Wohnräumen wieder einen neuen Ausdruck zu geben. Zwei Studien, Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste in München, Ingenieurstudium an der TU. Zwei Abschlüsse, Kunsterzieherin für Gymnasien, Diplom-Ingenieurin. Statt Karriere das erste Kind. Um Beruf und Familie zu vereinbaren, Tätigkeit als täglich praktiziert wird.

Neben der automatischen Zuführung der Kirchensteuer über das öffentliche Steuersystem zahlt der Freistaat Bayern den Konkordatsvereinbarungen von 1964, 1979 und 1980 entsprechend derzeit jährlich über 110 Millionen DM an Gehältern und Sachkostenzuschüssen. Im Haushalt des Freistaates liest sich das dann so: 1,14 Mio DM für die Jahresrenten der Erzbischöfe und Bischöfe, 160.000 DM Gehaltszulagen für zwölf Weihbischöfe, 1,67 Mio DM für die Jahresrente der Dignitäre, 6,15 Mio DM für die Jahresrenten der Kanoniker usw .. Die Unterhaltszahlungen für die Kinder der Kirche sind nirgends zu finden. 1987 forderten DIE GRÜNEN eine symbolische Kürzung dieser Mittel um 10.000 DM, um darauf aufmerksam zu machen, in welchem Umfang die Kirche über die Kirchensteuer und die Finanzierung der kirchlichen Einrichtungen hinaus bezuschußt wird. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Und dies, obwohl nach unserem Verständnis die Finanzierung der Gehälter der Kirchendiener eigentlich eine originäre Aufgabe der Kirchen ist.
Daneben müssen weitere Finanzierungen durch allgemeine Steuermittel angesprochen werden, z.B. die Mitfinanzierung der nichtstaatlichen Theologenausbildung, die Finanzierung der Katholischen Universität Eichstätt zu ca. 90 %, die Finanzierung der Gehälter der Lehrerinnen an kirchlichen Schulen, die Finanzierung von Kindergärten, Krankenhäusern, Altenheimen zu 80-90 %. Wobei dies durchaus wichtige Einrichtungen sind, ohne die das Sozialnetz des Staates völlig zusammenbrechen würde. Nur, es ist zu sehen, daß auch hier eine öffentliche Finanzierung erfolgt. Die Kirchensteuer selbst wird zu weniger als 10 %, wie die Humanistische Union im Dezember ’90 dargelegt hat, für soziale Zwecke eingesetzt. Gleichzeitig wissen wir auch, daß in manchen dieser Einrichtungen durchaus oft großzügiges und wertvolles menschliches Handeln seinen Raum hat, besser als in so manchen staatlichen Einrichtungen.
 
Die Verflechtung von Kirche und Staat muß auch aus einem anderen Blickwinkel gesehen werden. Ist es nicht gerade die finanzielle Abhängigkeit, die die Kirche gegenüber dem Staat mundtot und politisch hörig macht? Diese Verflechtung macht es für die Kirche unmöglich, klar und deutlich auf politische Entwicklungen zu reagieren. Was ist mit dem Schweigen der Kirche zur lebenszerstörenden Atomtechnologie, zur schöpfungsverachtenden Gentechnologie, zur klimazerstörenden Verkehrs- und Energiepolitik? Den gegenwärtig verantwortlichen Politikern ist dies nur zu recht. Im Gegenzug kann die Frauendiskriminierung mit weiterer staatlicher Unterstützung bzw. Duldung rechnen. Wann begreift die Kirche, daß nur die Trennung von Kirche und Staat ihr wieder die notwendige Freiheit und Glaubwürdigkeit geben kann? Müßte die Trennung von Kirche und Staat nicht oberstes Anliegen der Kirche selbst sein? Angesichts der Aussagen des neuen Weltkatechismus, angesichts des Festhaltens der Kirche am Zölibat, am Verbot der Empfängnisverhütung und des vorehelichen Geschlechtsverkehrs, am Verbot des Schwanger-schaftsabbruchs, angesichts des Nein der Kirche zur Priesterinnenweihe der Frauen – und wir erinnern uns, daß die Entscheidung der Anglikanischen Kirche, Frauen zum Priesteramt zuzulassen, als „neues und schwerwiegendes Hindernis auf dem Weg zur Versöhnung“ bezeichnet worden ist – bleibt uns nur festzustellen: Wir sind froh, daß es Menschen wie Gisela Forster gibt. Wir wünschen ihr weiterhin viel Kraft und Energie, viel Durchhaltevermögen und weiterhin den „Aufrechten Gang“ gegenüber allen Instanzen und Hierarchien.

Ruth Paulig, MdL DIE GRÜNEN

Weitere Informationen:

Festakt

Rede von Gisela Forster

Ankündigung und Begründung der Preisvergabe

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