Rede des Preis­trä­gers Dr. Klaus Lintzmeyer

Sehr geehrter Herr Prof. Hering,
sehr geehrte Damen und Herren der Humanistischen Union,
sehr geehrter Herr Steininger,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde! 

Die Humanistische Union hat mit der Preisverleihung „Aufrechter Gang 2000“ nicht nur unsere Aktivitäten im Zusammenhang mit der umstrittenen Planung eines McDonald’s-Restaurants auf dem Irschenberg, sondern auch unser ca. 30 Jahre anhaltendes Engagement um die bessere Beachtung der bayerischen Naturschutzgesetze und im besonderen um die bessere Beachtung des Naturschutzes im Rotwandgebiet des Landkreises Miesbach gewürdigt.
Auch ich möchte mich hierfür sehr herzlich bei der HU bedanken.
Meine Frau und ich sind bei den genannten NaturschutzAktivitäten jedoch nur 2 Akteure der Bürgerinitiative „Schutzaktion Rotwandgebiet e.V.“ und im großen Kreis der Verbände wie dem Bund Naturschutz, Landesbund für Vogelschutz, Verein zum Schutz der Bergwelt, Deutscher Alpenverein und anderer Initiativen – um nur einige zu nennen.
Alle diese Organisationen und auch wir verfolgen seit langem mit großem Engagement u.a. das Ziel, das Rotwandgebiet in seiner Schutzwürdigkeit und ohne weitere Verschlechterung zu erhalten und es wegen seiner hohen Naturschutzwertigkeit mit der höchstmöglichen Schutzkategorie, nämlich als Naturschutzgebiet, auszuweisen und das Rotwandgebiet auch als Teil des europaweit geplanten Schutzgebietssystem NATURA 2000 der EU zu melden. Das Rotwandgebiet hat für den Großraum München wegen dieser hohen Naturschutzwertigkeit auch große Bedeutung für den Wandertourismus im Sommer und Winter. Die Rotwand ist sozusagen der Hausberg der Münchner und darf auch deswegen nicht dem Kommerz geopfert werden.

Warum engagieren wir uns um die Rotwand so vehement und halten dieses Engagement so lange durch?
1968 hat die Regierung von Oberbayern, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, die Genehmigung der Taubensteinbahn am Rande des Rotwandgebietes auf Antrag des Marktes Schliersee nur unter der Maßgabe genehmigt, daß im Gegenzug das engere Rotwandgebiet zum Vollnaturschutzgebiet erklärt wird. Damals ist auch eine entsprechende Weisung an das Landratsamt Miesbach gegangen, diesen Verwaltungsschritt vor Ort vorzubereiten. Es geschah aber nichts außer der Widersetzung dieser Weisung mit der Rückendeckung der Bayerischen Staatskanzlei.
Zwischenzeitig konnte Anfang der 70er Jahre durch die Initiative vieler die verheerende Planung der Gemeinde Bayrischzell, das Rotwandgebiet mit einem Skiliftzirkus zu erschließen, und die ebenso absurde Planung der Flurbereinigung, fast alle Rotwandalmen mit breiten und neu trassierten Teerstraßen zu erschließen, abgewendet werden.
Bei den Naturschutzaktivitäten gegen diese Planungen lernten meine Frau und ich uns kennen. Die Rotwand wurde uns gewissermaßen zum Schicksalsberg und die Rotwand läßt uns bis heute nicht los.
1984 hat dann der Bayerische Landtag den Umweltschutz in der Bayerischen Verfassung verankert und zugleich beschlossen, daß u.a das Rotwandgebiet bis 1986 als Naturschutzgebiet auszuweisen ist. 

Fakt ist jedoch bis zum heutigen Tag, daß auch nach 32 Jahren das Naturschutzgebiet Rotwand verhindert wird. Und das trotz fachlicher Behördenentscheidung, trotz Landtagsauftrag und trotz massiver Forderungen von Verbänden, Organisationen und Privatpersonen wegen des politischen Einflusses der Seilschaften der Agrarlobby bei den obersten bayerischen Behörden und bei der Bayerischen Staatskanzlei.
Das Rotwandgebiet ist statt dessen auf politischen Druck hin seit 1987 in Teilbereichen nur mit der schwächsten Schutzkategorie als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.

Und was Landschaftsschutzgebiete in Bayern für den Naturschutz wert sind, wissen wir ja. Landschaftsschutzgebiete werden von den Kreistagen beschlossen und je nach Bedarf beliebig wieder aufgehoben. Sie sind häufig nur Verhandlungsmasse für Bauerwartungsland oder andere Infrastrukturflächen.

Das Rotwandgebiet ist entgegen der naturschutzfachlichen Bewertung und entgegen der Forderung zahlreicher Verbände bisher nicht einmal als bayerischer Schutzgebietsvorschlag für das europaweit geplante Schutzgebietssystem NATURA 2000 vorgesehen. Dies ist ein bayerischer Naturschutz-Skandal. Gestatten Sie mir, kurz auf die Wertigkeit des Rotwandgebietes einzugehen und die Begründung aus der amtlichen alpinen Biotopkartierung des Landesamtes für Umweltschutz zu zitieren:
„Das Rotwandgebiet erfordert wegen seiner Einmaligkeit im Mittelstock der Bayerischen Alpen aus naturschutzfachlicher Sicht dringend eine UnterschutzsteIlung als Naturschutzgebiet.“
Darüber hinaus hat die internationale Vogelschutzorganisation Birdlife International das Rotwandgebiet als international bedeutsames Vogelschutzgebiet (IBA) gelistet, wodurch die hohe Wertigkeit nochmals unterstrichen ist. 
Auch nach dem Bundes- und Bayerischen Naturschutzgesetz sind für derart beurteilte Gebiete nur die Naturschutzgebietsfestsetzung vorgesehen, was der Bayerische Landtag bezüglich der Rotwand ja schon 1984 beschlossen hat.
Mit der bisherigen Verweigerung dieses Landtagsbegehrens und dem Nichtvollzug der amtlichen fachlichen Beurteilung und dem Ausschluß der Rotwand als NATURA 2000-Gebiet verstoßen die zuständigen Bayerischen Behörden auf skandalöse Weise nicht nur gegen das Bundes- und gegen das Bayerische Naturschutzgesetz sowie gegen das Europäische Naturschutzrecht, sondern auch gegen das Verschlechterungsverbot des Grundgesetzartikels 20 a, in dem der Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet wird. Die zuständigen Bayerischen Behörden verstoßen aber auch gegen Art. 20 (3) des Grundgesetzes, in dem u.a. die vollziehende Gewalt – also die Exekutive – an das genannte Gesetz und Recht gebunden ist.
Das leidige Thema „Rotwand“ berührt also nicht nur Verletzungen von Europäischem, Bundes- und Bayerischem Recht, sondern auch Verletzungen von Grundrechten unseres Grundgesetzes.

Dagegen kämpfen wir in Bayern mit vielen anderen seit langem an. Und weil wir die besseren Argumente haben, haben wir auch die Kraft zu unserem langjährigen Naturschutzengagement gegen die eigennützigen und nach rückwärts gewandten Agrarlobbyisten und gegen die uneinsichtigen bayerischen Politiker, die glauben, nur mit der Unterstützung dieser lautstarken Antiöko Agrarlobby in Bayern an der Macht zu bleiben.
Da das Rotwandgebiet also noch kein NSG ist und noch nicht auf der bayerischen NATURA 2000-Gebietsvorschlagliste ist, das Rotwandgebiet sich somit noch nicht in den sog. „trockenen Tüchern“ befindet, lassen wir uns nach dem Bloch’schen „Prinzip Hoffnung“ nicht davon abhalten- und hier kann ich sicherlich auch die Zustimmung aller bayerischer Naturschutzverbände erhalten – , den Kampf fortzusetzen, bis das Rotwandgebiet Naturschutzgebiet ist und auch für das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000 vorgesehen wird.
Um all dies für den Naturschutz zu erreichen, benötigen wir aber – und das ist die Crux – mehrheitlich vernünftige bayerische Politiker und bayerische Naturschutzbeamte, die sich nur dem Gesetz verpflichtet sehen und zur Durchsetzung des Gemeinwohls genügend Durchstehvermögen haben.
Die Entwicklung wird es uns zeigen, ob es in Bayern solche Personen gibt und diese ggf. auch gegen den Bayerischen Ministerpräsidenten entscheiden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Weitere Informationen:

Festakt

Laudatio von Helmut Steininger

Ankündigung und Begründung der Preisverleihung

Begrüßung

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